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Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Titel: Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Material durchstöberte. Aber am Ende war es wie bei Candomble. Ich konnte nur bis zu einem bestimmten Punkt vordringen.«
    »Glauben Sie mir, ich kenne das. David, die Welt soll ein Geheimnis bleiben. Wenn es eine Erklärung gibt, dann ist es uns nicht bestimmt, sie zu finden; soviel ist sicher.«
    »Ich glaube, da haben Sie recht«, sagte er traurig. »Und ich glaube, Sie haben mehr Angst vor dem Tod, als Sie zugeben wollen. Sie haben mir gegenüber eine störrische Haltung eingenommen, eine moralische, und ich kann es Ihnen nicht verdenken. Vielleicht sind Sie alt genug und weise genug, um wirklich zu wissen, daß Sie nicht einer von uns sein wollen. Aber fangen Sie nicht an, über den Tod zu reden, als würde der Ihnen irgendwelche Antworten geben. Ich habe den Verdacht, daß der Tod furchtbar ist. Man hört einfach auf; es gibt kein Leben mehr und keine Chance, überhaupt noch etwas zu wissen.«
    »Nein, da kann ich Ihnen nicht zustimmen, Lestat«, sagte er. »Das kann ich einfach nicht.« Er starrte den Tiger an und sagte dann:
    »Irgend jemand hat diese furchtbare Symmetrie geschaffen, Lestat. Es muß jemand getan haben. Der Tiger und das Lamm … das konnte nicht von ganz allein passieren.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Auf die Schöpfung dieses alten Tiger-Gedichts wurde mehr Intelligenz verwendet, David, als auf die Erschaffung der Welt. Sie reden wie ein Episkopalist. Aber ich weiß, was Sie sagen wollen. Ich habe es von Zeit zu Zeit selbst gedacht. Es ist von dummer Einfachheit. Es muß doch etwas auf sich haben mit all dem. Das muß es doch! So viele fehlende Mosaiksteine. Je länger man es bedenkt, desto mehr klingen Atheisten wie religiöse Fanatiker. Aber ich glaube, das ist eine Täuschung. Es ist alles nur Prozeß und mehr nicht.«
    »Fehlende Mosaiksteine, Lestat. Natürlich! Stellen Sie sich für einen Augenblick vor, ich hätte einen Roboter erschaffen, eine perfekte Nachbildung meiner selbst. Stellen Sie sich vor, ich hätte ihm alle Enzyklopädien eingegeben, die mir zur Verfügung standen - verstehen Sie, alle diese Informationen in sein Computergehirn einprogrammiert. Nun, es wäre nur eine Frage der Zeit, wann er zu mir käme und sagte; ›David, wo ist der Rest? Die Erklärung! Wie hat das alles angefangen? Warum hast du die Erklärung dafür weggelassen, weshalb es überhaupt einen Urknall gegeben hat oder was genau passierte, als Mineralien und andere leblose Stoffe sich plötzlich zu organischen Zellen entwickelten? Und was ist mit der großen Lücke in der Fossilienreihe?«
    Ich lachte entzückt.
    »Und ich müßte dem armen Kerl beibringen«, fuhr David fort, »daß es keine Erklärungen gibt. Daß ich die fehlenden Mosaiksteine nicht habe.«
    »David, niemand, hat die fehlenden Steine. Und es wird sie auch nie jemand in die Hände bekommen.«
    »Seien Sie sich dessen nicht so sicher.«
    »Ist das also Ihre Hoffnung? Haben Sie deshalb in der Bibel gelesen? Sie konnten die okkulten Geheimnisse des Universums nicht knacken, und jetzt sind Sie wieder bei Gott angekommen?«
    »Gott ist das okkulte Geheimnis des Universums«, sagte David versonnen, fast als brüte er darüber; sein Gesicht sah sehr entspannt, beinahe jung aus. Er starrte das Glas in seiner Hand an; vielleicht gefiel ihm, wie sich das Licht im Kristall sammelte. Ich wußte es nicht. Ich mußte warten, bis er wieder mit mir sprach.
    »Ich denke mir, die Antwort könnte im Buch Genesis stehen«, sagte er schließlich. »Ich glaube es wirklich.«
    »David, Sie erstaunen mich. Da reden Sie von fehlenden Mosaiksteinen. Das Buch Genesis ist ein Bündel von Fragmenten.«
    »Ja, aber die entscheidenden Fragmente sind uns geblieben, Lestat. Gott schuf den Menschen nach seinem Ebenbild. Ich vermute, das ist der Schlüssel. Niemand weiß, was es wirklich bedeutet, wissen Sie. Die Hebräer dachten nicht, daß Gott ein Mensch sei.«
    »Und wie kann es der Schlüssel sein?«
    »Gott ist eine schöpferische Macht, Lestat. Und wir sind es auch. Er hat zu Adam gesagt: »Wachset und mehret euch.‹ Das haben die ersten organischen Zellen getan, Lestat. Sie sind gewachsen und haben sich vermehrt. Haben nicht bloß ihre Form verändert, sondern sich vervielfacht. Gott ist eine schöpferische Macht. Er hat das ganze Universum aus sich selbst erschaffen, durch Zellteilung. Deshalb sind die Teufel so voller Neid - die bösen Engel, meine ich. Sie sind eben keine schöpferischen Wesen; sie haben keinen Körper, keine Zellen, sie sind Geist. Und ich

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