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Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Titel: Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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in der ganzen Welt geschieht. Denk an die Menschen, die in Osteuropa sterben, denk an den Krieg im Heiligen Land, denk an das, was hier in dieser Stadt alles passiert. Meinst du, Gott und der Teufel scheren sich auch nur einen Dreck um einen einzelnen Mann? Und unsere eigene Gattung, wir, die wir seit Jahrhunderten die Schwachen und die Anziehenden und die Unglücklichen als unsere Beute betrachten. Hat der Teufel sich jemals bei Louis, Armand oder Marius eingemischt? Oder bei sonst einem von uns? Oh, ich wollte, mit dieser einfachen Methode könnte man die Anwesenheit dieses erhabenen Wesens heraufbeschwören - dann wüßten wir es ein für allemal.«
    »Du willst es wissen?« fragte er ernst.
    Ich zögerte, dachte nach, schüttelte dann den Kopf.
    »Vielleicht gibt es ja eine rationale Erklärung. Ich verabscheue mich selbst wegen meiner Furcht. Vielleicht ist das schon der Wahnsinn! Vielleicht ist so die Hölle! Du wirst einfach verrückt. Und all deine im Unterbewußtsein verborgenen Dämonen kommen und verschlingen dich schneller, als du sie dir überhaupt ausgedacht hast.«
    »Lestat, meinst du, es ist böse?«
    Ich öffnete den Mund, hielt mich dann aber zurück. Böse.
    »Du hast gesagt, es sei abscheulich, du beschreibst unerträgliche Geräusche, Licht. Aber war es böse? Hast du das Böse gefühlt?«
    »Nein, tatsächlich nicht. Nein. Eigentlich empfinde ich dasselbe, als wenn ich diese Gesprächsfragmente höre, eine Art - Wahrhaftigkeit ist, glaube ich, das richtige Wort, Aufrichtigkeit und eine Absicht, und, David, ich sage dir noch etwas über dieses Wesen, das mich verfolgt - sein Geist ist rastlos und sein Herz unersättlich.«
    »Was?«
    »Sein Geist ist rastlos und sein Herz unersättlich«, wiederholte ich; das war mir so herausgerutscht, aber ich wußte, daß das ein Zitat war. Ich zitierte etwas, aber woraus? Keine Ahnung! Teil eines Gedichts?
    »Wie meinst du das?« fragte er geduldig.
    »Ich weiß nicht. Ich weiß auch nicht, warum ich das gesagt habe oder wieso mir gerade diese Worte eingefallen sind. Aber es stimmt. Sein Geist ist rastlos und sein Herz unersättlich. Er ist kein Sterblicher! Er ist kein Mensch!«
    »Ein rastloser Geist, ein unersättliches Herz«, zitierte David mich.
    »Ja, das ist er, ganz recht, das Wesen, dieses maskuline Etwas. Nein, warte, ich weiß nicht, ob es maskulin ist; ich meine… ach, ich weiß nicht, welches Geschlecht es hat… Laß es mich so ausdrücken: Es ist nicht eindeutig feminin, na, und nicht eindeutig feminin, das bedeutet ja wohl… maskulin.«
    »Ich verstehe.«
    »Du denkst, ich bin verrückt, nicht wahr? Das hoffst du doch?«
    »Aber natürlich nicht.«
    »Das solltest du aber besser, denn wenn es dieses Wesen nicht nur in meiner Einbildung gibt, wenn es wirklich existiert, kann es dich auch erwischen.«
    Das machte ihn sichtlich nachdenklich, er ging auf Distanz, und dann sagte er etwas Merkwürdiges, womit ich nicht gerechnet hatte.
    »Aber verstehst du nicht? Mich will es nicht. Und die ändern will es auch nicht. Es will dich.«
    Das gab mir den Rest. Ich bin stolz, ich bin ein totaler Egomane; ich lechze nach Aufmerksamkeit; ich will Ruhm; ich will, daß Gott und der Teufel mich wollen. Ich will, ich will, ich will, ich will.
    »Ich mache dir keine Vorwürfe«, fuhr er fort. »Ich erinnere dich nur daran, daß dieses Wesen die ändern nie bedroht hat, daß in Hunderten von Jahren keiner von den ändern… keiner, den wir kennen, je von so etwas gesprochen hat. Im Gegenteil, du selbst hast in deinen Büchern ausdrücklich erklärt, daß kein Vampir je den Teufel gesehen hat - stimmt das etwa nicht?«
    Ich gab das achselzuckend zu. Louis, mein geliebter Schüler und Zögling, hatte einst die Welt durchstreift auf der Suche nach dem ältesten aller Vampire, und Armand hatte ihn mit offenen Armen aufgenommen, nur um ihm zu sagen, daß es weder Gott noch den Teufel gibt. Und ich selbst, ein halbes Jahrhundert vor ihm, hatte nach dem »Ältesten« gesucht, und Marius, zum Vampir gemacht zur Zeit des Römischen Reiches, hatte zu mir dasselbe gesagt. Kein Gott. Kein Teufel.
    Ich saß ganz still, ein albernes Gefühl von Unbehagen überkam mich - der Raum war stickig, das Parfüm nicht echt, keine Lilien hier, draußen würde es verflixt kalt sein. An Ruhe konnte ich nicht vor der Morgendämmerung denken, die Nacht war noch lang, und ich konnte mich David nicht verständlich machen, ich würde ihn vielleicht verlieren… und dieses Etwas könnte

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