Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel
kommen, dieses Etwas könnte wieder kommen.
»Wirst du bei mir bleiben?« Ich haßte, was ich da sagte.
»Ich bleibe an deiner Seite, ich halte dich fest, wenn es dich mitzunehmen versucht.«
»Das willst du tun?«
»Ja.«
»Aber warum?«
»Sei nicht albern«, sagte David. »Sieh es mal so. Ich weiß nicht, was ich damals in dem Cafe sah. In meinem ganzen Leben habe ich nie wieder etwas dergleichen gesehen oder gehört. Du weißt es; ich habe dir damals die ganze Geschichte erzählt - wie ich nach Brasilien gegangen bin, um mir die Geheimnisse des Candomble anzueignen. In der Nacht, als du… mich nahmst, habe ich versucht, die Geister zu rufen.«
»Sie kamen, aber sie waren zu schwach, um dir zu helfen.«
»Richtig. Aber du vergißt eines, nämlich, daß ich dich einfach liebe, daß ich in einer Weise mit dir verbunden bin wie keiner der anderen. Louis betet dich an. Für ihn bist du so eine Art dunkler Gott, obwohl er vorgibt, dich zu hassen, weil du ihn zum Vampir gemacht hast. Armand beneidet dich, er spioniert dir wesentlich häufiger nach, als du dir vorstellst.«
»Ich höre Armand, ich sehe ihn - und ich ignoriere ihn«, erwiderte ich.
»Und Marius, ich glaube, du weißt, daß er dir nicht verzeihen kann, daß du nicht sein Schüler geworden bist, sein Akolyth, daß du seinen Glauben an den Zusammenhang von Geschichte und Erlösung nicht teilen willst.«
»Gut formuliert. Daran glaubt er wirklich. Aber er ist wegen ein paar entschieden schwerer wiegender Sachen wütend auf mich; als ich Die Mutter und Den Vater aufweckte, warst du noch keiner von uns. Du warst nicht dabei. Aber darum geht es jetzt nicht.«
»Ich weiß alles darüber. Denk an deine Bücher! Ich lese deine Werke, kaum daß du sie geschrieben hast, sobald du sie auf die Sterblichen losläßt.«
Ich lachte bitter. »Wahrscheinlich hat der Teufel sie auch gelesen«, sagte ich. Wieder spürte ich die verhaßte Angst, das machte mich rasend.
»Die Hauptsache ist jedenfalls«, betonte David, »daß ich zu dir halte.«
Er senkte den Blick. Seine Gedanken schweiften ab, wie früher, als er noch ein Sterblicher war, als ich seine Gedanken lesen konnte und er aber in der Lage war, das abzuwehren, indem er mich bewußt ausschloß. Jetzt war da einfach eine Schranke. Nie wieder würde ich seine Gedanken aufnehmen können.
»Ich bin hungrig«, flüsterte ich.
»Geh jagen.«
Ich schüttelte den Kopf. »Sobald ich dazu bereit bin, greife ich mir das Opfer. Sobald Dora New York verläßt und in den Konvent zurückkehrt. Sie weiß, daß das Urteil über diesen Bastard schon gefällt ist. Und daran wird sie denken, wenn ich ihn erwischt habe. Sie wird glauben, einer seiner vielen Feinde habe es getan, daß das Böse auf ihn zurückgefallen sei, wie es in der Bibel heißt. Aber es war eines dieser ganz besonderen Raubtiere, die den Wilden Garten Erde durchstreifen, ein Vampir, der Ausschau hielt nach einem besonders saftigen Stück Menschenfleisch - und sein Blick fiel auf ihren Vater. Und dann ist es schließlich vorbei, einfach vorbei.«
»Hast du vor, diesen Mann zu foltern?«
»David! Du schockierst mich. Das ist eine unhöfliche Frage.«
»Hast du es vor?« fragte er zaghaft, aber eindringlich.
»Nein, eigentlich nicht. Ich will einfach…« Ich lächelte. Er wußte jetzt selbst zur Genüge Bescheid. Ich mußte ihm nichts mehr erzählen über das Wesen des Tötens, darüber, wie man mit dem Blut auch die Seele, die Erinnerung, den Geist, das Herz des Opfers trinkt. Ich würde diese erbärmliche, sterbliche Kreatur erst wirklich kennen, wenn ich ihn genommen hatte, ihn gegen meine Brust gepreßt und sozusagen die einzige ehrliche Ader an ihm geöffnet hatte. Ah, zu viele Überlegungen, zu viele Erinnerungen, zuviel Zorn.
»Ich bleibe bei dir«, wiederholte David. »Hast du eine Unterkunft hier?«
»Nichts Ordentliches. Such doch etwas für uns. Nahe bei… bei der Kathedrale.«
»Warum das?«
»Also David, das solltest du aber wissen. Wenn der Teufel kommt und mich die Fifth Avenue entlangscheucht, kann ich wenigstens in die Kathedrale stürzen, direkt vor den Hochaltar, um auf den Knien liegend Gott um Vergebung zu bitten, damit er mich nicht bis zum Hals im Fegefeuer versinken läßt.«
»Du bist wirklich kurz davor, total durchzudrehen.«
»Aber nicht doch. Sieh mich an: Ich kann mir noch die Schnürbänder binden. Siehst du’s? Und mein Halstuch! Man braucht schon etwas Geschick, sich das Ding so um den Hals zu binden und ins
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