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Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Titel: Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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die erst die Kinder dieser Generation hinzugefügt hatten und die den Älteren noch unbekannt waren, sagte ich: ›Ich will euch kein Leid zufügen. Ich bin vom Himmel gekommen. Ich kam, um euch kennenzulernen, euch zu lieben. Und um Gottes willen wünsche ich nur das Beste für euch.‹
    Daraufhin brach ein ziemlicher Tumult aus, ein freudiges Lärmen, denn die Leute klatschten in die Hände, sprangen auf, und die kleinen Kinder hüpften umher. Es schien allgemeine Übereinkunft zu sein, daß Lilia, so hieß die Frau neben mir, zu ihrem Stamm zurückkehren durfte. Man hatte sie nämlich vertrieben und damit dem Tod preisgegeben, als sie auf mich traf. Aber jetzt war sie zurückgekommen und hatte einen Gott mitgebracht, eine Gottheit, ein Himmelswesen… mit vielsilbigen Worten und Wortkombinationen versuchten sie, den richtigen Begriff zu finden.
    ›Nein‹, erklärte ich. ›Ich bin kein Gott. Ich habe die Welt nicht geschaffen. Ich verehre den Gott, der das getan hat, genau wie ihr.‹
    Auch das akzeptierten sie freudig. So freudig, daß dieser Wirbel mich schon beängstigte. Angesichts der johlenden, schreienden Tänzer, die den brennenden Hölzern der Lagerfeuer Fußtritte versetzten, während diese liebliche Lilia an mir hing, wurde ich mir der Beschränktheit dieses meines Körpers lebhaft bewußt.
    ›Ich muß jetzt schlafen!‹ sagte ich kurzentschlossen. Und das war nicht mehr und nicht weniger als die reine Wahrheit. In den drei Tagen, die ich in diesem Leib verbracht hatte, hatte ich selten einmal eine Stunde geschlafen; ich fühlte mich erschöpft bis auf die Knochen, war zerschlagen und vom Himmel verbannt. Ich wollte mich nur dieser Frau zuwenden und in ihren Armen meinen Kummer begraben.
    Das billigten alle; sie bereiteten eine Hütte für uns, man lief hin und her, besorgte die feinsten Pelze und Felle, das weichste Leder, dann führte man uns stumm hinein, und ich sank rücklings nieder auf ein langhaariges weiches Ziegenfell.
    ›Gott, was verlangst du von mir, was soll ich tun?‹ fragte ich laut. Aber es kam keine Antwort. Nur tiefes Schweigen und Dunkelheit herrschten in der Hütte, und dann waren da die Arme der Menschentochter, die sich wollüstig und liebevoll, zärtlich und leidenschaftlich an mich schmiegte, in diesem Mysterium, diesem gänzlich dem Leben vorbehaltenen Wunder, in dem sich Zärtlichkeit und Lust untrennbar vereinten.«
    Memnoch hielt inne. Er schien auf einmal erschöpft. Er erhob sich und ging ein paar Schritte bis zum sandigen Ufer. Einen Lidschlag lang blitzten die Umrisse seiner Flügel auf, so hatte sie vielleicht auch damals jene Frau wahrgenommen, dann glich er nur einer großen Gestalt mit hochgezogenen Schultern, die mir den Rücken zuwandte und offenbar das Gesicht in den Händen vergrub.
    »Memnoch, wie ging es weiter? Sicherlich ließ Gott dich doch nicht dort! Was tatest du? Was geschah am nächsten Morgen, als du erwachtest?«
    Er seufzte und drehte sich endlich um. Langsam kam er zurück und setzte sich wieder. »Bis zum Morgen hatte ich ein halbes dutzendmal mit ihr geschlafen und war halb tot, was an sich schon eine weitere Lehre für mich war. Aber ich hatte kein Ahnung, was ich tun sollte. Während sie schlief, hatte ich Gott angerufen, hatte nach Michael und den ändern Engeln gerufen, hatte immer und immer wieder um Rat gebeten. Und wer, glaubst du, antwortete mir?«
    »Die Seelen in Scheol«, vermutete ich.
    »Ja, ganz genau! Diese Geister antworteten mir. Wieso wußtest du das? Die stärksten Seelen in Scheol hatten meine Gebete an den Schöpfer vernommen, sie hatten die drängende Kraft und die eigentliche Aussage meiner Rufe gehört, meine Entschuldigungen, meine Bitten um Gnade und Vergebung und Verständnis - alles hatten sie in sich aufgesogen, förmlich in sich hineingetrunken, genau wie die auf das Geistige gerichteten Sehnsüchte ihrer noch lebenden Nachkommen. Und dann, als die Sonne aufging, als die Männer der Sippe sich zu sammeln begannen, wußte ich nur eins: Was mir auch geschah, was auch immer Gottes Wille war, die Seelen in Scheol würden ein für allemal verändert sein! Zuviel hatten sie erfahren durch diesen in die stoffliche Welt gefallenen Engel, der so rückhaltlos zum Himmel und zu Gott geschrien hatte.
    Natürlich war mir das volle Ausmaß der Veränderungen noch nicht bewußt geworden, so weit hatte ich noch gar nicht gedacht. Doch die stärksten der Seelen hatten einen ersten kurzen Blick ins Paradies getan. Sie wußten nun,

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