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Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Titel: Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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warme Brust und umfaßte mit zitternden Händen mein Gesicht.

Kapitel 13
    S ie nahm mich mit zu ihrer Siedlung und führte mich durch das Tor. Männer und Frauen erhoben sich, Kinder liefen mir entgegen. Da ich mir meiner engelhaften Schönheit bewußt war, überraschten mich ihre bewundernden Blicke nicht. Aber ich fragte mich doch, was um Himmels willen sie vorhatten.
    Sie ließen mich niedersitzen und gaben mir zu essen und zu trinken. Das brauchte ich auch. Drei Tage lang hatte ich nur Wasser und ein paar im Wald gesammelte Beeren zu mir genommen. Ich aß das zubereitete Fleisch, das sie mir reichten, und sie, mein Weib, meine Menschentochter, preßte sich an mich, als wolle sie mit mir zusammen jedem Herausforderer trotzen.
    Schließlich stand sie auf, hob mit einer heftigen Bewegung die Arme und erzählte ihnen mit lauter Stimme, was geschehen war. Ihre Sprache war einfach, aber das zu beschreiben, reichten ihre Worte voll und ganz aus - daß sie mir am Ufer des Sees begegnet sei und gesehen habe, daß ich nackt war, daß sie sich mir in heiliger Anbetung hingegeben habe, weil sie erkannt habe, daß ich kein irdisches Wesen sein konnte. In dem Augenblick, als mein Samen in sie gelegt worden war, sei ein herrliches, erhabenes Licht vom Himmel herabgekommen und habe die Höhle erfüllt. Sie sei voller Angst davor geflüchtet, aber ich, der ich es wohl kannte, hätte mich furchtlos direkt hineinbegeben, und vor ihren Augen hätte ich mich verwandelt, so daß sie durch mich hindurchsehen und mich dennoch hätte wahrnehmen können. Und ich hätte an Größe gewonnen und riesige weiße Schwingen gehabt!
    Diese Vision sei nur sekundenlang wahrnehmbar gewesen, dann sei ich verschwunden. Zögernd, unsicher, habe sie ausgeharrt, zitternd zugeschaut, habe dabei ihre Ahnen, den Schöpfer, die Dämonen der Wüste und alle sonstigen Schutzmächte angerufen, bis sie mich plötzlich wiedergesehen habe - mit ihren schlichten Worten ausgedrückt, war ich durchscheinend, jedoch sichtbar und im Fallen begriffen, geflügelt, riesig, und ich sei auf den Boden aufgeprallt mit einer Wucht, die einen Menschen getötet hätte - aber, wie jeder sehen konnte, saß ich hier als Mensch im Staub.
    ›Gott‹, betete ich. ›Was mache ich bloß? Was diese Frau erzählt, ist wahr! Und doch bin ich kein Gott. Du bist Gott. Was soll ich nur tun?‹ Der Himmel schwieg, keine Antwort drang an mein Ohr oder mein Herz, nicht in mein schwerfälliges, kompliziertes Gehirn.
    Was nun die Zuhörer betraf, deren Anzahl ich auf etwa fünfunddreißig, die Kinder nicht mitgerechnet, schätzte: Von ihnen äußerte sich keiner. Sie dachten über das Gehörte nach, weder wollten sie es voreilig akzeptieren, noch wollten sie die Glaubwürdigkeit der Frau anzweifeln. Etwas an meinem Benehmen und meiner Haltung verunsicherte sie.
    Das war nicht weiter verwunderlich. Ich wich vor ihnen nicht zurück oder zitterte oder zeigte irgendeine Form von Schmerz. Ich hatte noch nicht gelernt, wie man das Leid eines Engels im Fleische ausdrückt. Ich saß einfach da, wohl wissend, daß ich für ihre Begriffe jung und anmutig war und geheimnisumwittert; und ihr Mut reichte nicht aus, um einen Angriff gegen mich zu wagen, wie sie es sonst mit ihren Feinden oder den Ausgestoßenen ihrer Sippe machten, die sie erstachen, aufspießten oder sogar verbrannten - das alles hatte ich oft genug selbst gesehen.
    Plötzlich begann ein aufgeregtes Gemurmel in der Gruppe. Ein sehr alter Mann erhob sich. Er sprach in noch simpleren Worten als meine Fürsprecherin zuvor. Obwohl er vielleicht nur die Hälfte ihres Sprachschatzes besaß, reichte seine Ausdrucksfähigkeit doch aus, um mich zu fragen: ›Was kannst du zu deiner Verteidigung sagen?‹
    Die ändern reagierten darauf, als sei diese Frage ein Ausdruck absoluten Genies. Vielleicht war das für sie ja auch so. Die Frau drängte sich in diesem Augenblick dicht an mich, umarmte mich und warf mir einen flehenden Blick zu.
    Da wurde mir klar: Ihr Schicksal war mit dem meinen verbunden. Sie fürchtetet sich vor ihren eigenen Leuten, ihrer Sippe. Aber sie hatte keine Angst vor mir! Interessant. Das also können Liebe und Zärtlichkeit bewirken und Wunder natürlich auch, dachte ich. Und Gott sagt, diese Leute sind Teil der Natur!
    Ich ließ verlegen den Kopf sinken, doch nur kurz. Schließlich erhob ich mich, und sie - meine Gefährtin, wie es nun schien - zog ich an meine Seite, und indem ich alle Worte ihrer Sprache benutzte, sogar die,

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