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Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Titel: Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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durch die Wände.
    Dieser Engel stand da, als sei er gerade vom Himmel gekommen, um das geheiligte Wasser darzubieten. Im Vorbeigehen versetzte ich ihm einen freundlichen Klaps aufs gebeugte Knie. Ich mochte ihn nicht besonders. Ich roch Pergament, Papyrus, verschiedene Metalle. Der Raum gegenüber schien angefüllt mit russischen Ikonen; die Wände waren buchstäblich tapeziert damit, und das Licht spielte auf den Heiligenscheinen trübsinnig blickender Madonnen und starräugiger Heilandgesichter.
    Im nächsten Raum nichts als Kruzifixe. Ich erkannte den spanischen Stil, dann eine Art italienischen Barock, auch sehr frühe Werke, die wirklich selten sein mußten - die Christusfigur am wurmzerfressenen Kreuz war grotesk verzerrt und schlecht proportioniert, doch sichtbar leidend und voller Furcht.
    Jetzt erst fiel mir das Offensichtliche auf: All das war ausschließlich sakrale Kunst. Allerdings kann man, wenn man recht überlegt, fast alle Kunst, die vor dem 19. Jahrhundert entstanden ist, als sakral bezeichnen. Meiner Meinung nach hat der überwiegende Teil aller Kunstwerke Religion zum Thema.
    Leben gab es hier drin überhaupt nicht. Deutlich hing der Gestank von Pestiziden in der Luft. Natürlich hatte er alles damit tränken müssen, um diese alten hölzernen Statuen zu bewahren. Ich konnte nichts Lebendiges riechen oder hören, nicht einmal Ratten. In der unteren Wohnung befand sich auch niemand, obwohl in einem Badezimmer ein kleines Radio Nachrichten ausspie.
    Es war nicht schwer, dieses Geräusch auszublenden. Im oberen Stockwerk wohnten Sterbliche, alte Leute - ich fing das Bild eines Mannes mit Kopfhörern auf, der sich im Takt zu irgendeiner hehren deutschen Musik wiegte, Wagner, unglückliche Liebende, die ihr Schicksal und die »verhaßte Morgenröte« beklagten, oder sonst irgendein schwülstig-dumpfer, heidnischer Blödsinn. Zur Hölle mit dem Leitmotiv. Da war noch eine zweite Person, schwach, bedeutungslos, ich gewann den Eindruck, sie mache eine Handarbeit. Aber all dem schenkte ich kaum Aufmerksamkeit.
    Ich war hier sicher, und er würde bald kommen, alle Räume mit dem Duft seines Blutes erfüllen, und ich würde mich verdammt zusammenreißen müssen, ihm nicht den Hals zu brechen, ehe ich noch den letzten Tropfen aus ihm herausgeholt hatte. Ja, die Zeit war reif.
    Dora würde vor morgen abend sowieso nichts erfahren, und wer konnte wissen, daß ich die Leiche hier zurückgelassen hatte?
    Ich ging in den Wohnraum, der einigermaßen sauber war, denn hier pflegte er auszuspannen, zu lesen, seine kunstvollen Objekte zu studieren und zu hätscheln. Es gab bequeme, weichgepolsterte Sofas mit Bergen von Kissen, und überall, auf dem Boden, auf Tischen und Kartons, waren moderne, schwarze, spinnenbeinige Halogenlampen aufgestellt, die zerbrechlich wirkten, aber sich leicht bewegen ließen.
    Der Aschenbecher aus schwerem Kristallglas quoll über von Kippen - seine Sicherheit war ihm offensichtlich wichtiger als Sauberkeit und Ordnung. Überall verstreut standen benutzte Gläser, an denen der eingetrocknete Likör klebte wie eine Glasur. Die dünnen, ziemlich schmuddeligen Stores vor den Fenstern machten das hereinfallende Licht unangenehm diffus.
    Selbst dieser Raum war gestopft voll mit Heiligenfiguren - ein recht düsterer, sentimentaler St. Antonius mit einem pausbäckigen Jesuskind im Arm, eine sehr große, in sich versunkene Madonna, wahrscheinlich südamerikanischen Ursprungs. Und ein monströses, an einen Engel erinnerndes Wesen aus schwarzem Granit, das ich in diesem Dämmerlicht nicht einmal mit meinen Vampiraugen deutlich erkennen konnte; es glich eher einem mesopotamischen Dämon als einem Engel.
    Für einen Sekundenbruchteil ließ mich dieses granitene Monster erbeben. Es ähnelte… nein, besser gesagt, seine Flügel erinnerten mich an die Kreatur, die ich gesehen hatte, dieses Wesen, von dem ich mich verfolgt glaubte.
    Aber keine Schritte hier. Kein Riß im Gewebe der Welt. Nur eine Statue aus Granit, mehr nicht, wahrscheinlich einst der gräßliche Schmuck einer grauenhaften Kirche voller himmlischer und höllischer Symbole.
    Auf den Tischen lagen Mengen von Büchern. O ja, er liebte Bücher. Sehr schöne alte Bände gab es da, aus Pergament und ähnlichem, aber auch Modernes, Titel aus Philosophie und Religion, Gegenwartsliteratur, Memoiren bekannter Kriegsberichterstatter, sogar einige Gedichtbände. Eine mehrbändige Ausgabe von Mircea Eliade, »Geschichte der Religionen«, war

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