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Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Titel: Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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entsetzlich. Herr, wie kannst Du glauben, daß all dies Leid für irgend jemanden gut sein könnte?
    Dieses Leiden, die unbeschreibliche Hinnahme von Schmerz, Blut und Vernichtung muß aus der diesseitigen Welt beseitigt werden, wenn der Mensch je zu Gott finden soll!«
    Er gab keine Antwort, ließ die Hände sinken.
    ›Mein Engels sagte Er dann, ›nun, da ich ein menschliches Herz habe, erzeugst du in mir nur noch mehr Zuneigung für dich. Wie schlicht du doch bist! Und wie fremd dir dieses weite Feld der Schöpfung ist.‹
    ›Aber ich habe Dich doch gedrängt herabzukommen! Wie kann es mir fremd sein? Ich bin der Wächter! Ich sehe, was andere Engel nicht zu sehen wagen aus Furcht, in Tränen auszubrechen und Dich damit zu erzürnen!‹
    ›Memnoch, du kennst einfach das Fleisch nicht! Dieser Begriff ist zu vielschichtig für dich. Was, glaubst du, lehrte deine Seelen in Scheol Vollendung?
    War es nicht das Leiden? Ja, vielleicht kommen sie entstellt, verbrannt dorthin, wenn sie auf der Erde nicht über ihre Leiden hinauszublicken vermochten, und manche mögen verzweifeln und vergehen. Doch in Scheol, in Jahrhunderten des Leidens, des Sehnens, werden die übrigen geläutert und verklärt. Memnoch, Leben und Tod gehören zum Kreislauf der Natur, und eines seiner Produkte ist das Leid.
    Und die Menschen sind nicht davon ausgenommen, nur weil sie zu dieser Erkenntnis fähig sind! Memnoch, daß diese erleuchteten Seelen, die du aus Scheol zu mir brachtest, dies erkannten und die Schönheit darin zu akzeptieren gelernt hatten, das war es, was sie würdig machte, die Himmelstore zu durchschreiten!‹ ›Nein, Herr, das ist nicht wahr!‹ rief ich. ›Du siehst das falsch. Völlig falsch.
    Oh, jetzt sehe ich, was passiert ist.‹
    ›So? Was versuchst du mir zu sagen? Daß ich, Gott, der Herr, nach dreißig in diesem menschlichen Körper verbrachten Jahren nicht die Wahrheit gefunden habe?‹
    ›Aber das ist es ja gerade! Die ganze Zeit über wußtest Du, Du bist Gott. Du sprichst von Zeiten, in denen Du glaubtest, verrückt zu sein, es fast vergessen zu haben, doch die waren nur kurz! Zu kurz! Und auch jetzt, da Du Deinen Tod planst, weißt Du, wer Du bist, und Du wirst es auch nicht vergessen, nicht wahr?‹ ›Nein, das werde ich nicht. Denn natürlich muß ich der leibhaftige Sohn Gottes sein, um mein Werk zu vollenden, um dieses Wunder zu vollbringen. Das ist der springende Punkt!‹
    ›Dann, Herr, weißt Du nicht, was es heißt, im Fleische zu sein!‹
    ›Was fällt dir ein anzunehmen, du wüßtest es, Memnoch?‹
    ›Als Du mich in diesem Körper aus Fleisch und Blut zurückließest - nachdem Du mich niedergeworfen hattest vor die Füße der Menschentöchter, damit sie mich pflegten und heilten -, da gab es kein Versprechen, keine Gewißheit, daß Du mich wieder im Himmel aufnehmen würdest. Herr, Du bist nicht fair bei Deinem Experiment. Du wußtest die ganze Zeit über, Du würdest in den Himmel zurückkehren - zurückkehren und wieder Gott sein!‹
    ›Und wer könnte besser verstehen, was es bedeutet, in diesem Fleische zu sein?‹ wollte er wissen.
    ›Jemand, der sich nicht dem absolut beruhigenden Gefühl überlassen kann, daß er der unsterbliche Schöpfer des Universums ist‹, sagte ich. ›Jeder sterbliche Mann, der jetzt gerade dort auf Golgatha vor den Toren Jerusalems am Kreuz hängt, wüßte es besser als Du!‹
    Er starrte mich mit weit aufgerissenen Augen an. Doch Er erhob keine Einwände.
    Sein Schweigen machte mich nervös. Und abermals blendete mich die Macht Seines Ausdrucks, die göttliche Ausstrahlung dieses Menschen, und den Engel in mir drängte es, einfach den Mund zu halten und Ihm vor die Füße zu fallen. Doch ich wollte das nicht tun!
    ›Herr‹, führ ich fort, ›sogar als ich nach Scheol ging, wußte ich nicht, ob ich je in den Himmel zurückkehren könnte. Verstehst Du? Ich behaupte gar nicht, Deine Einsicht in die Dinge zu haben. Sonst würden wir jetzt nicht so miteinander reden.
    Aber ich hatte nicht die mindeste Gewißheit, daß ich den Himmel je wieder betreten durfte. Und da die Gefahr bestand, daß ich diesem Leid, dieser Finsternis nie mehr entkommen könnte, machte ich sie zu meinen Lehrmeistern. Siehst Du nicht den Unterschied?‹
    Er überlegte eine Weile, dann schüttelte Er traurig den Kopf. ›Memnoch, du bist derjenige, der nichts einsieht. Ist der Mensch denn jemals Gott näher, als wenn er um der Liebe zu einem anderen Menschen willen leidet, als wenn er

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