Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel
als du diesen Sterblichen mit deinem Körper hast abhauen lassen und seinen übernommen hast.«
»Vorsichtiger ist nicht das richtige Wort. Eher zu Tode erschrocken. Ich glaube, daß dieses Geschöpf, Memnoch, wirklich der Teufel ist. Du würdest das genauso glauben, wenn du diese Erscheinungen gehabt hättest. Ich rede jetzt nicht davon, Illusionen zu erzeugen, um jemanden in seinen Bann zu schlagen. Das kannst du auch, Armand, du hast es selbst schon mit mir gemacht. Doch ich habe mit diesem Wesen gekämpft. Es hat einen Kern, der zu einem realen Körper gehören kann. Es selbst ist gleichzeitig greifbar und körperlos, dessen bin ich mir sicher. Und alles andere? Vielleicht waren das alles nur Illusionen. Immerhin zeigte er mir, daß er diese Kunst genauso beherrscht wie ich.«
»Du beschreibst da einen Engel, ganz klar«, sagte David kurzab, »und dieser hier behauptet eben, ein gefallener Engel zu sein.«
»Der Teufel in Person«, grübelte Armand. »Was verlangst du von uns, Lestat? Sollen wir dir Ratschläge geben? Ich an deiner Stelle ginge nicht freiwillig mit diesem Wesen.«
»Was veranlaßt dich zu dieser Entscheidung?« fragte David, noch ehe ich ein Wort hatte sagen können.
»Hör mal, wir wissen, daß es erdgebundene Wesen gibt, die wir nicht einordnen können«, sagte Armand, »die wir nicht aufspüren oder unter Kontrolle bringen können, genauso wie es unsterbliche Geschöpfe gibt, die menschlich aussehen, es aber nicht sind. Diese Kreatur könnte wer weiß was sein. Und die Art und Weise, wie er dich umwirbt - diese Visionen und seine Höflichkeit -, erregt mein Mißtrauen.«
»Oder macht vielleicht gerade das Sinn?« erwog David. »Er ist der Teufel, und vernunftbegabt ist er auch, wie du immer vermutet hast, Lestat - kein sterblicher Idiot, sondern ein wahrhaftiger Engel, der deine Mitarbeit wünscht. Er will dich zu nichts zwingen. Zwang hat er nur benutzt, um auf sich aufmerksam zu machen.«
»Aber ich würde ihm nicht glauben«, sagte Armand. »Was heißt denn, er wünscht deine Hilfe? Daß du dann gleichzeitig hier auf der Erde und in der Hölle existierst? Nein, ich würde einen großen Bogen um ihn machen, schon wegen seiner Metaphern, seines Vokabulars. Wegen seines Namens. Memnoch, das klingt böse.«
»Das sind alles Dinge, die ich vor langer Zeit einmal dir gesagt habe«, mußte ich zugeben.
»Ich habe den Fürsten der Finsternis noch nicht mit eigenen Augen gesehen«, fuhr Armand fort. »Jahrhunderte des Aberglaubens habe ich erlebt und Wundertaten von dämonischen Wesen, wie wir es sind. Du hast ein bißchen mehr erlebt als ich. Aber du hast recht, genau das waren deine Worte, und ich sage dir jetzt das gleiche: Glaub nicht an den Teufel oder daran, daß du sein Geschöpf bist. Diesen Ratschlag gab ich damals schon Louis, als er von mir Aufklärung über Gott und das Universum wollte. Ich glaube an keinen Teufel, und deshalb: Glaube ihm nicht; wende dich ab von ihm.«
»Was Dora angeht«, fügte David ruhig hinzu, »da hast du unklug gehandelt, aber möglicherweise kann man das wiedergutmachen.«
»Wohl kaum.«
»Wieso?«
»Jetzt sagt mir bitte eins… glaubt ihr, was ich euch erzählt habe?«
»Ich weiß, daß du die Wahrheit sagst«, gab Armand zu, »aber ich glaube weder, daß dieses Wesen der Teufel ist, noch, daß er dir Himmel und Hölle zeigen wird. Und offen gesagt, wenn es wahr wäre, wäre das nicht erst recht Grund genug, ihm nicht zu folgen?«
Ich musterte Armand eine Zeitlang, wobei ich mich bemühte, die Dunkelheit zu durchdringen, denn ich wollte einen Eindruck davon bekommen, wie seine Haltung in dieser Sache war. Ich fand in ihm nur Wahrhaftigkeit, keinen Neid, keinen langgehegten Groll, auch keine offene Wunde, keine Hinterhältigkeit, nichts. All diese Gefühle hatte er längst überwunden - oder ich hatte sie ihm vielleicht nur unterstellt.
»Ja, vielleicht«, beantwortete er meine Gedanken direkt. »Aber du hast recht damit, daß ich offen und ehrlich zu dir bin, und ich sage dir, ich würde dieser Kreatur nicht trauen und auch nicht der Behauptung, daß du in irgendeiner Form deine Zustimmung geben mußt.«
»Zu so etwas wie einem mittelalterlichen Pakt«, ergänzte David.
»Und was soll das heißen?« fragte ich schärfer als beabsichtigt.
»Nun, einen Pakt mit dem Teufel zu schließen«, sagte er, »dich mit ihm auf irgend etwas zu einigen. Armand meint, daß du das nicht tun sollst. Du sollst keinen Pakt schließen.«
»Genau«, stimmte
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