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Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Titel: Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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ihren hingebungsvollen »Schwestern« verabschiedete. Zwar waren das keine Teenager mehr, doch waren sie alle noch sehr junge Frauen und alle fest davon überzeugt, daß sie mit Dora zusammen die Welt verändern würden. Sie strahlten Sorglosigkeit und Nonkonformismus aus.
    Schließlich eilten sie davon, und Dora ging in die entgegengesetzte Richtung zu ihrem Wagen. Sie trug einen schmal geschnittenen Mantel aus schwarzer Wolle und schwarze wollene Strümpfe zu extrem hochhackigen Schuhen. Zusammen mit ihrem eng am Kopf anliegenden dunklen Haar wirkte sie außerordentlich dramatisch und gleichzeitig zerbrechlich zart, höchst verwundbar in dieser von Männern beherrschten Welt.
    Ehe sie wußte, wie ihr geschah, hatte ich sie um die Taille gefaßt, und blitzschnell erhob ich mich mit ihr in die Luft, so daß sie kaum zu einem klaren Gedanken fähig war. Meinen Mund dicht an ihrem Ohr, sagte ich: »Du bist bei mir, in Sicherheit.« Ich hielt sie ganz fest mit meinen Armen umschlungen, damit ihr weder der Wind noch die Geschwindigkeit unseres Fluges etwas anhaben konnte, leicht bekleidet, verwundbar und auf mich angewiesen, wie sie war. Über den heulenden Wind hinweg lauschte ich besorgt, ob ihr Herz und ihre Lunge auch richtig arbeiteten.
    Ich spürte, wie sie sich in meinen Armen entspannte, oder eher könnte man sagen, sie vertraute sich mir einfach an, was ebenso verwunderlich war wie ihr sonstiges Verhalten. Das Gesicht hatte sie in meinem Mantel vergraben, als wolle sie aus Furcht nichts sehen und hören, doch gab es in dieser Kälte auch rein praktische Gründe dafür. Als wir eine gewisse Höhe erreicht hatten, öffnete ich
    meinen Mantel und wickelte Dora darin richtig ein, ehe wir die Reise fortsetzten.
    Wir waren länger unterwegs, als ich erwartet hatte, denn mit diesem zarten menschlichen Wesen konnte ich einfach nicht so hoch in die Atmosphäre aufsteigen wie sonst. Übrigens war dies hier bei weitem nicht so ermüdend und gefährlich, als wenn wir einen qualmenden, stinkenden und noch dazu explosionsgefährdeten Jet genommen hätten.
    Nach einer knappen Stunde stand ich mit ihr hinter den Glastüren des Olympic Tower. Sie erwachte in meinen Armen wie aus einem tiefen Schlaf. Daß sie aus rein physischen und psychischen Gründen das Bewußtsein verloren hatte, war wohl unvermeidlich gewesen; aber ihre Füße hatten kaum den Boden berührt, da kam sie auch schon wieder zu sich. Mit ihren großen Augen schaute sie zuerst mich an und dann hinüber auf die andere Straßenseite, wo St. Patrick’s in all seiner steinernen Pracht gen Himmel ragte.
    »Komm mit«, sagte ich, »jetzt führe ich dich zum Nachlaß deines Vaters« und bewegte mich in Richtung Aufzüge. Sie eilte mir so begierig nach, wie wir Vampire es immer von den Sterblichen erträumen, wie es aber nie und nimmer eintrifft; so, als sei dies alles ein Wunder und als gebe es nicht den geringsten Grund, sich zu fürchten.
    »Ich habe nicht genügend Zeit«, erklärte ich, als wir im Aufzug nach oben schössen. »Mir ist etwas auf den Fersen, und ich weiß nicht genau, was es von mir verlangt. Aber ich wollte dich schnell herbringen, und ich werde dafür sorgen, daß du sicher wieder nach Hause kommst.« Dann erläuterte ich ihr, daß ich den Zugang über das Dach dieses Gebäudes leider nicht kannte, sonst hätten wir natürlich den Weg gewählt. Es machte mich ziemlich verlegen, daß wir einen halben Kontinent in einer Stunde überqueren konnten und dann einen ratternden, glitzernden Aufzug benutzen mußten, der kaum weniger wunderbar schien als die vampirische Gabe des Fliegens.
    Der Lift erreichte das richtige Stockwerk. Ich gab ihr den Schlüssel und führte sie zu dem Apartment. »Schließ du auf, alles darin gehört dir.«
    Einen Augenblick sah sie mich mit leicht gerunzelter Stirn an, dann strich sie achtlos über ihr windzerzaustes Haar, steckte den Schlüssel ins Schloß und öffnete die Tür.
    »Ja, das sind Rogers Sachen!« Sie erkannte sie schon am Geruch, etwa so, wie ein Altertumsforscher diese Ikonen und Reliquien daran erkannt haben mochte. Dann fiel ihr Blick auf den marmornen Engel, der im Korridor direkt vor der gläsernen Wand aufgestellt war, und ich dachte, sie würde mir ohnmächtig in die Arme sinken, denn sie kippte nach hinten, als ob sie fest auf meine stützenden Hände vertraute. Ich hielt sie nur mit den Fingerspitzen, wie schon zuvor ängstlich, daß ich sie versehentlich zerdrücken könnte.
    »Lieber Gott«, hauchte

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