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Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Titel: Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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David zu finden.
    Doch ich war noch keine drei Straßen weiter, als ich eine sehr deutliche Projektion von ihm aufnehmen konnte und noch dazu bemerkte, daß ich sie von einem anderen Vampir empfing. Ich schloß die Augen und konzentrierte mich ganz auf den Versuch, einen beredten Gedankenfluß auszusenden. In Sekundenschnelle stellte sich der Kontakt zu den beiden her, wobei David die Gedanken seines Gefährten nutzte, und ich sah und erkannte das Gehölz, in dem sie sich aufhielten.
    Früher führte die Bayou Road durch dieses Gebiet hindurch direkt aufs Land, und nicht weit entfernt lag die Stelle, an der Claudia und Louis, nachdem sie versucht hatten, mich zu ermorden, meine Überreste im Sumpf versenkt hatten. Nun war hier ein großer gepflegter Park, in dem es tagsüber vermutlich von Müttern und Kindern nur so wimmelte; auch gab es ein Museum mit zeitweise recht interessanten Gemäldeausstellungen. In diesem Park standen einige der ältesten Eichen New Orleans’, und über einen hübschen, langgezogenen Teich spannte sich eine malerische Brücke. Weitab von den häufig benutzten Wegen, in der tiefsten Dunkelheit eines dichten Wäldchens, fand ich die beiden Vampire, wie sie sich miteinander unterhielten. David, wie nicht anders zu erwarten, war in seinem üblichen ordentlichen Anzug ganz er selbst. Aber der Anblick des anderen versetzte mich in Erstaunen.
    Es war Armand.
    Da saß er auf der steinernen Parkbank, jungenhaft lässig ein Bein angezogen, und schaute zu mir auf mit dieser so vertrauten Unschuld im Blick. Natürlich war er von oben bis unten voller Staub, sein Haar eine Masse langer, wirrer, kastanienfarbener Locken. In seinen engen Jeans und der Reißverschlußjacke aus schwerem Denim ging er mit Sicherheit als menschliches Wesen durch, als ein Herumstreuner vielleicht, obwohl sein Gesicht bleich wie Papier war und noch glatter als bei unserem letzten Treffen.
    Er erinnerte mich irgendwie an eine kindliche Puppe mit glänzendbraunen Augen aus Glas, eine Puppe, die man auf dem Dachboden gefunden hatte. Mich verlangte danach, ihn mit Küssen zu bedecken und zu säubern, um ihn noch heller strahlen zu lassen.
    »Das willst du doch immer.« Armands Stimme versetzte mir einen Schock. Nicht einmal mehr das kleinste Restchen eines französischen oder italienischen Akzents konnte ich hören, und sein Tonfall klang schwermütig und kein bißchen gemein. »Schon damals, als du mich unter Les Innocents gefunden hattest, wolltest du mich in Parfüm baden und in Samt und Seide stecken.«
    »Ja und dein Haar, dieses herrliche, rotbraune Haar kämmen«, sagte ich grimmig. »Mir scheint, du siehst gut aus, du verdammter kleiner Teufel, so richtig zum Lieben und Umarmen.«
    Wir musterten uns einen Augenblick. Und dann, als ich ihn in die Arme schließen wollte, überraschte er mich, indem er aufstand und mir entgegenkam, ohne Zögern, jedoch so, daß ich mich hätte verweigern können. Das tat ich nicht, und so hielten wir uns eine Weile fest umschlungen - zwei kalte, harte Körper aus dem gleichen Stoff.
    »Engelsgleiches Kind.« Ich streckte kühn, beinahe trotzig, die Hand aus und zerwuschelte seine Lockenpracht.
    Er war kleiner von Statur als ich, doch ihn schien diese Geste nicht zu stören, im Gegenteil, er lächelte und schüttelte den Kopf, beiläufig strich er sich ein paarmal ordnend übers Haar. Seine Wangen röteten sich plötzlich, und sein Mund entspannte sich. Dann ballte er die Rechte zur Faust und versetzte mir spaßeshalber einen harten Schlag vor die Brust. Wirklich hart; er zog eine Schau ab. Gab ein bißchen an. Nun war es an mir zu lächeln.
    »Keine bösen Erinnerungen zwischen uns«, sagte ich.
    »Doch, schon, aber was bedeuten denn Erinnerungen?«
    »Ja«, grinste ich, »wir sind beide noch hier.«
    Er lachte los, wenn auch gedämpft, schüttelte den Kopf und warf David einen Blick zu, der deutlich zeigte, wie gut sie sich kannten, zu gut vielleicht. Mir paßte es nicht, daß sie sich überhaupt kannten. David war mein David, und Armand war mein Armand.
    Ich ließ mich auf der Bank nieder und sagte mit einem Blick von einem zum ändern: »Also hat David dir die ganze Geschichte erzählt?«
    David schüttelte verneinend den Kopf. »Nicht ohne deine Einwilligung, mein prinzlicher Flegel«, kam es ein wenig geringschätzig von ihm. »Das hätte ich mir nie herausgenommen. Armand ist hergekommen, weil er wirklich in Sorge ist um dich.«
    »So, ist er das?« Ich zog die Augenbrauen hoch.

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