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Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Titel: Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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sondern auch, weil sie mich während meiner schlimmen Erkrankung gepflegt hatte. Nun musste ich ihr gegenübertreten, so wenigstens verfügte Marius es. Er drängte mich, ihr einen höflichen Brief zu schreiben, worin ich erklärte, dass ich eben wegen dieser Krankheit nicht eher hatte zu ihr kommen können.
    Eines Abends, nach einer kurzen Jagd, während der ich mir das Blut von gleich zwei Opfern einverleibte, machten wir uns, beladen mit Geschenken, zu einem Besuch bei ihr auf, und fanden sie inmitten ihrer englischen und italienischen Freunde.
    Marius hatte sich für die Gelegenheit in feinstes Blau gekleidet, mit einem Umhang, der ausnahmsweise die gleiche Farbe hatte, was sehr ungewöhnlich war, und er hatte mich zu Himmelblau überredet, der Farbe, die er an mir am liebsten sah. Ich trug einen Korb mit in Wein eingelegten Feigen und süßen Pasteten, beides für Bianca bestimmt. Wie immer fanden wir ihre Tür offen und traten unauffällig ein, aber sie sah uns sofort.
    In dem Augenblick, als ich sie sah, empfand ich das herzzerreißende Bedürfnis nach einer besonderen Form der Nähe, das heißt, ich hätte ihr gern alles, was geschehen war, erzählt! Das war natürlich verboten, und Marius bestand darauf, dass ich lernte, ihr meine Liebe ohne vertrauliche Geständnisse zu schenken. Bianca stand auf, kam und umarmte mich und empfing die gewohnten feurigen Küsse. Nun sah ich, warum Marius für diesen Abend auf zwei Opfern bestanden hatte. Ich war warm und erhitzt von deren Blut.
    Bianca bemerkte nichts, das sie geängstigt hätte. Sie schlang ihre seidenweichen Arme um meinen Hals. In ihrem gelben Seidenkleid bot sie einen strahlenden Anblick. Es war mit dunkelgrünem Samt abgesetzt und das gelbe Unterkleid mit aufgestickten Röschen übersät. Ihre weißen Brüste waren kaum bedeckt, was sich nur eine Kurtisane erlaubte.
    Als ich sie küsste, verbarg ich sorgfältig meine kleinen Fangzähne, aber ich spürte auch kein Verlangen nach ihr, denn das Blut meiner vorherigen Opfer war mehr als befriedigend gewesen. Nur Liebe lag in meinen Küssen, nichts als Liebe, im Geiste stürzte ich mich in hitzige erotische Vorstellungen, und mein Körper demonstrierte ihr sicherlich das Verlangen, das er früher ihretwegen gefühlt hatte. Ich hätte sie am liebsten überall berührt, wie ein Blinder etwa eine Skulptur betastet, um ihre Formen mit der Hand besser zu erfassen.
    »Oh, dir geht es nicht nur gut, dir geht es blendend«, sagte Bianca. »Du und Marius, kommt herein, kommt herein, kommt, wir gehen nach nebenan.« Mit einer gleichgültigen Geste wies sie auf ihre Gäste, die sowieso alle in kleinen Grüppchen munter plauderten, diskutierten oder Karten spielten. Dann zog sie uns mit sich in einen intimeren Salon gegenüber ihrem Schlafzimmer, der mit kostspieligen damastbezogenen Sesseln und Sofas ausgestattet war, und sagte, ich solle mich setzen. Ich erinnerte mich noch einmal daran, dass ich den Kerzen ausweichen musste, dass ich mich im Schatten halten musste, damit kein Sterblicher die Gelegenheit hatte, sich meinen veränderten, perfekten Teint näher anzusehen. Das war hier nicht allzu schwer, denn wenn Bianca auch helles Licht liebte, so hatte sie die Leuchter doch nur spärlich verteilt, um der Stimmung willen. Und ich wusste, dass die mangelnde Helligkeit auch das Funkeln meiner Augen nicht so auffallen ließ. Und je mehr ich redete, je lebhafter ich wurde, desto menschlicher würde ich wirken. Ruhe war eine Gefahr für uns, wenn wir mit Sterblichen zusammen waren, das hatte Marius mich gelehrt, denn wenn wir unbewegt und still sitzen, wirken wir makellos und unirdisch und schließlich für Sterbliche sogar leicht Grauen erregend, weil sie dann spüren, dass wir nicht sind, was wir scheinen. All diese Vorschriften befolgte ich. Aber eine Art Befangenheit hielt mich in Bann, weil ich ihr niemals sagen konnte, was mit mir geschehen war. Ich begann zu sprechen, ich erklärte ihr, dass ich vollkommen geheilt war, aber dass Marius, viel klüger als jeder Arzt, mir Einsamkeit und Ruhe verordnet hatte. Wenn ich nicht das Bett gehütet hatte, war ich allein gewesen, ohne Gesellschaft, immer bestrebt, meine alte Kraft wieder zu gewinnen.
    »Die beste Lüge ist die, die so nahe wie möglich an der Wahrheit bleibt«, hatte Marius mich gelehrt. Nun folgte ich seinen Worten. »Ach, ich dachte wirklich schon, ich hätte dich verloren«, sagte Bianca. »Marius, als du mir die Nachricht von seiner Wiederherstellung

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