Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir
hübsch.
»Der Engländer«, fuhr sie fort, »der verschwunden ist. Ich habe den Verdacht, er ist ertrunken. Sicher ist er, als er betrunken durch die Stadt taumelte, irgendwo in den Kanal gefallen, oder sogar in die Lagune.«
Natürlich hatte mein Herr mir erzählt, dass er sich unserer Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Engländer angenommen hatte, aber ich hatte ihn nie gefragt, was geschehen war. »Also denkt man allgemein, dass du Mörder angeheuert hast, um die Florentiner zu beseitigen?«, fragte Marius.
»Scheint so«, bestätigte sie. »Und einige denken sogar, dass ich mich auch des Engländers entledigt hätte. Ich bin eine richtig mächtige Frau geworden, Marius.«
Beide lachten, er tief, jedoch mit dem metallischen Klang des übernatürlichen Geschöpfes, sie hell, aber unterlegt mit dem Klingen ihres Blutes.
Ich wäre gern in ihren Geist eingedrungen. Ich versuchte es, verdrängte die Idee jedoch sofort wieder. Ich war voreingenommen, genau wie es mir bei Riccardo und den anderen vertrauten Freunden erging. Es schien mir in der Tat ein so schreckliches Eindringen in die Privatsphäre, dass ich diese Fähigkeit nur bei der Jagd nutzte, wenn ich nach den Übeltätern forschte, die ich töten konnte.
»Amadeo, du errötest! Was ist?«, fragte Bianca. »Deine Wangen sind knallrot. Komm, ich will sie küssen. Oh, du bist so erhitzt, als hättest du wieder Fieber.«
»Schau ihm in die Augen, Herzchen, sie sind ganz klar«, sagte Marius. »Du hast Recht«, stimmte sie zu, während sie mir mit so süßer, offener Neugier in die Augen sah, dass ich sie unwiderstehlich fand. Ich schob den gelben Stoff ihres Unterkleides und den schweren, dunkelgrünen Samt des Mieders zur Seite und küsste ihre nackte Schulter. »Ja, dir geht es gut«, gurrte sie an meinem Ohr, so dass ich ihre feuchten Lippen spürte. Als ich mich von ihr zurückzog, war ich immer noch rot.
Ich betrachtete sie, und nun drang ich in ihre Gedanken vor. Ich hatte wohl die goldene Spange unter ihrem Busen gelöst, so dass die weiten, grünen Samtbahnen ihres Rockes aufgesprungen waren. Ich starrte auf den Spalt zwischen ihren halb entblößten Brüsten. Blut oder nicht, ich konnte mich an das Feuer erinnern, das sie früher in mir entfacht hatte, und nun spürte ich es wieder, in einer seltsam umfassenden Form, nicht mehr nur auf das vergessene Organ beschränkt, wie es früher gewesen war. Ich wollte ihre Brüste mit meinen Händen umfassen und gemächlich daran saugen, sie langsam erregen, bis sie feucht war und mir ihren Duft entgegenströmte und sie ihren Kopf in den Nacken sinken ließ. Ja, ich errötete. Ein nebelhafter, süßer Schwindel überkam mich.
Ich will dich, jetzt sofort, dich und Marius, ihr beide in meinem Bett, ein Mann und ein Jüngling, ein Gott und ein süßer Engel. Das hörte ich in ihren Gedanken, und ich sah die Bilder in ihrem Gedächtnis. Wie in einem beschlagenen Spiegel sah ich mich selbst, ein Jüngling, nackt bis auf das offene Hemd mit den bauschigen Ärmeln, der auf dem Polster neben ihr saß, das halb erigierte Glied sichtbar, und immer bereit, sich von ihren zärtlichen Lippen und ihren schlanken, weißen Händen vollends erregen zu lassen.
Ich verbannte das alles. Ich konzentrierte meinen Blick auf ihre schönen Augen. Sie betrachtete mich, nicht argwöhnisch, sondern fasziniert. Sie hatte ihre Lippen nicht ordinär geschminkt, sie waren im Gegenteil von Natur aus tiefrosa, und ihre langen Wimpern, nur durch eine farblose Pomade dunkler und glänzender gemacht, standen um ihre leuchtenden Augen wie die Strahlen kleiner Sterne. Ich will euch, jetzt. Das dachte sie. Ich hörte es förmlich in meinen Ohren. Ich senkte den Kopf und hob die Hände.
»Liebster Engel,« sagte sie, und: »Ihr beide!«, flüsterte sie Marius zu. Sie ergriff meine Hände. »Kommt mit.«
Ich war überzeugt, er würde dem Einhalt gebieten. Er hatte mich schließlich oft ermahnt, intime Nähe zu vermeiden. Aber er erhob sich nur von seinem Stuhl und ging zu ihrem Schlafgemach hinüber, wo er die bemalten Türflügel aufstieß.
Aus den Gesellschaftsräumen klang das Geräusch der gleichmäßig hinplätschernden Konversation. Man hörte Lachen und Singen, und jemand hatte eine Weise auf dem Virginal angestimmt. Wir schlüpften in Biancas Bett. Ich zitterte am ganzen Körper. Mir war es bisher nicht aufgefallen, aber nun sah ich, dass mein Herr eine Tunika aus sehr dickem Stoff trug, dazu ein hübsches dunkelblaues Wams, und an
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