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Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Titel: Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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dich nicht?«
    »Dora«, sagte ich. Ich konnte plötzlich ihren Duft riechen. Ja, er umfing mich! Doch ihre persönlichen Sachen waren nicht mehr da. Hier standen jetzt Davids Bücher, das konnte gar nicht anders sein. Andere Erforscher der geistigen Welt füllten jetzt die Regale Dannion Brinkley, Hilarion, Melvin Morse, Brian Weiss, Matthew Fox, das Urantia-Buch. Daneben standen alte Texte - Cassiodor, die heilige Theresa von Avila, Gregor von Tours, der Veda, der Talmud, die Thora, das Kamasutra - und alle in der Originalsprache. Er besaß auch ein paar obskure Romane, Dramen und Gedichtbände.
    »Genau.« Er setzte sich an seinem Schreibtisch nieder. »Ich brauche kein Licht. Möchtest du Beleuchtung?«
    »Ich weiß nicht, was ich dir erzählen soll.«
    »Ah«, sagte er. Er holte seinen Stift hervor. Er öffnete ein Notizbuch mit feinen, grünen Linien auf schockierend weißem Papier. »Du wirst schon wissen, was du mir erzählen willst.« Er schaute zu mir auf. Ich stand da, die Arme um meinen Oberkörper geschlungen, und ließ den Kopf hängen, als könnte er jede Sekunde abfallen, und ich wäre tot. Mein langes Haar hüllte mich ein. Ich dachte an Sybelle und Benjamin, mein stilles Mädchen und meinen überschäumenden Jungen.
    »Magst du sie, David? Meine Kinder?«, fragte ich.
    »Ja, vom ersten Augenblick an, als du sie hereinbrachtest. Alle mochten sie. Alle haben sie liebevoll und mit Respekt angesehen. Welche Haltung, welcher Charme! Ich glaube, wir alle träumen davon, solche Vertraute zu haben, so treue sterbliche Gefährten, die dazu unwiderstehliche Anmut besitzen und nicht völlig übergeschnappt sind. Sie lieben dich, aber trotzdem sind sie dir weder verfallen, noch vergehen sie vor Angst vor dir.« Ich rührte mich nicht. Ich sagte nichts. Ich schloss die Augen. Tief in meinem Inneren hörte ich den schnellen, kühnen Takt der Appassionata, diese Wogen rauschender, glühender Musik mit dem pochenden, klirrend metallischen Rhythmus, die Appassionata. Nur klang sie in meinem Kopf. Keine goldene, langgliedrige Sybelle hier.
    »Zünde alle Kerzen an, die du hast«, sagte ich zaghaft. »Tust du das bitte für mich? Kerzen täten mir jetzt wohl. Und sieh nur, Doras Spitzenstores hängen immer noch vor den Fenstern, ganz frisch und rein! Ich liebe Spitzen. Das ist Brüsseler Spitze, oder etwas sehr Ähnliches, ja, ich bin ganz verrückt danach.«
    »Natürlich zünde ich die Kerzen an«, sagte er.
    Ich hatte ihm den Rücken zugekehrt. Ich vernahm das köstlich scharfe, reißende Geräusch eines Streichholzes. Ich roch, dass es brannte, und danach den schmelzenden Duft des schwankenden, sich kräuselnden Dochtes, und Licht flackerte auf und erhellte das Zypressenholz der Deckenpaneele. Noch ein Reißen, eine ganze Serie dieser hübschen Töne, und das Licht wurde heller und legte sich über mich und ließ nur einen schattigen Streifen entlang der Wand.
    »Warum hast du es gemacht, Armand?«, fragte er. »Oh, ich weiß, das Schweißtuch trug das Abbild Christi, irgendwie jedenfalls, zweifellos, und es schien ja wirklich das geheiligte Schweißtuch der Veronika zu sein, und weiß Gott, tausend andere glaubten auch an seine Echtheit, ja, aber warum du? Warum? Es war von flammender Schönheit, ja, das gebe ich zu, Christus mit der Dornenkrone und Sein Blut darauf, und Seine Augen, die uns direkt anzusehen schienen, uns beide, aber warum glaubtest du so ganz und gar daran, Armand, trotz deiner langen Lebenszeit? Warum bist du zu IHM gegangen? Das war es doch, was du versucht hast, ist es nicht so?«
    Ich schüttelte den Kopf. Ich sprach leise und bittend.
    »Nicht so schnell vorwärts. Gelehrter«, sagte ich, indem ich mich langsam umwandte. »Kümmer du dich um deine Seiten. Dies ist für dich und für Sybelle. O ja, es ist auch für meinen kleinen Benji. Aber auf eine Art ist es meine Symphonie für Sybelle. Die Geschichte beginnt vor langer, langer Zeit. Vielleicht habe ich mir bis zu diesem Augenblick noch nie klar gemacht, vor wie langer Zeit. Du, hör zu und schreib. Ich will derjenige sein, der weint und schreit und tobt.«

2
     
    S chau dir meine Hände an. Mir fallt der Ausdruc k »nicht von Menschenhand gemacht« ein. Ich weiß, was das heißt, denn immer, wenn jemand tief ergriffen diese Worte sprach, ging es um etwas, das unter meinen Händen entstanden war.
    Jetzt gerade würde ich gern malen, einen Pinsel zur Hand nehmen und versuchen zu malen, so wie ich es einst konnte, in einem Traumzustand,

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