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Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Titel: Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Bewohner der Nachbarhäuser je erführe, worüber dieses feuchte Holz sich wölbte.
    Ich konnte den Geschmack und Geruch dieses Schweißes nicht loswerden.
    »Warum hast du dich so dagegen gesträubt, dass ich sein Haar ausreißen wollte?«, fragte ich. »Ich wollte es einfach nur haben, und er ist schließlich tot, ihm ist es egal, und wem sollte sein schwarzes Haar schon fehlen?«
    David wandte sich mit einem hintergründigen Lächeln zu mir um und sah mich abschätzend an.
    »Dein Blick erschreckt mich«, sagte ich. »Habe ich zu sorglos enthüllt, dass ich ein Monster bin? Weißt du, wenn meine liebe, sterbliche Sybelle nicht gerade die Beethovensche Sonate spielt -die Appassionata
    - dann beobachtet sie mich oft bei meinen Mahlzeiten. Willst du jetzt, dass ich dir meine Geschichte erzähle?«
    Ich warf einen Blick zurück auf den toten Mann, der mit zusammengesackten Schultern auf der Seite lag. Über ihm auf der Fensterbank stand eine blaue Glasflasche, in der eine orangefarbene Blume steckte. Wenn das nicht ein verfluchtes Ding war!
    »Ja, ich will deine Geschichte«, sagte David. »Komm, lass uns gemeinsam zurückgehen. Ich bat dich nur aus einem Grund, sein Haar nicht mitzunehmen.«
    »Ja?«, fragte ich. Ich sah ihn an. Aus echter Neugier. »Was war denn der Grund? Ich wollte es nur ausreißen und fortwerfen.«
    »Wie man einer Fliege die Flügel ausreißt«, bot er mir eine Begründung, scheinbar ohne zu urteilen.
    »Einer toten Fliege«, sagte ich bedächtig lächelnd. »Nun komm, warum dieses Theater?«
    »Ich wollte sehen, ob du auf mich hörst«, erklärte er. »Mehr nicht. Wenn ja, dann könnte es mit uns beiden vielleicht klappen. Und es klappt. Denn du hast auf mich gehört.« Er drehte sich um und nahm meinen Arm.
    »Ich mag dich nicht!«, sagte ich.
    »O ja, und ob du mich magst, Armand«, war seine Antwort. »Lass mich schreiben. Wüte und schrei und tobe. Du fühlst dich ziemlich obenauf im Moment, weil du die beiden Sterblichen hast, die an jeder deiner Gesten hängen, sie sind wie die Diener am Altar eines Gottes. Aber du willst mir alles erzählen, du weißt das doch genau. Nun komm schon!«
    Ich konnte mir das Lachen nicht verkneifen. »Hast du mit dieser Taktik schon immer Erfolg gehabt?«
    Nun musste auch er lachen, ein gutmütiges Lachen. »Nein, vermutlich nicht«, sagte er. »Aber lass es dir doch auf diese Art schmackhaft machen: Schreib es für sie.«
    »Für wen?«
    »Für Benji und Sybelle.« Er zuckte mit den Schultern. »Oder nicht?« Ich gab keine Antwort.
    Die Geschichte für die beiden niederschreiben. Mein Geist raste in die Zukunft, zu einem freundlichen, heimeligen Zimmer, wo wir drei in ein paar Jahren zusammensitzen würden - ich, Armand, unverändert, der jungenhafte Lehrmeister - und Benji und Sybelle in ihrer sterblichen Blüte. Benji, der zu einem großen, geschmeidigen Herrn herangewachsen war, mit tintenschwarzen Augen und dem Charme der Araber, hielt einen seiner geliebten Stumpen in der Hand, sichtlich ein Mann mit großen Erwartungen und Möglichkeiten. Und meine Sybelle eine atemberaubend göttlich geformte Frau mit königlicher Haltung, und sie wäre eine noch bessere Konzertpianistin, als sie schon heute sein könnte, und ihr goldenes Haar gäbe einen Rahmen für ihr ovales, frauliches Gesicht mit den vollen Lippen und den Augen, in denen Entsagung und ein geheimes Leuchten standen.
    Könnte ich in diesem Raum das Buch diktieren und es ihnen überreichen? Dieses Buch, das ich David Talbot diktiert hafte? Könnte ich ihnen, wenn ich sie aus meiner künstlichen Welt entließ, dieses Buch geben? Zieht dahin, meine Kinder, mit all dem Reichtum, und allem, was ich euch an Unterweisung mitgeben konnte, und dazu hier noch dieses Buch, das ich vor langer Zeit mit David zusammen für euch geschrieben habe.
    Ja, sagte mir meine Seele. Und doch rannte ich zurück, riss den schwarzen Haarschopf vom Kopf meines Opfers und trampelte mit den Füßen darauf herum wie Rumpelstilzchen.
    David verzog keine Miene. Engländer sind wirklich wohlerzogen. »Na gut«, sagte ich. »Ich erzähl dir meine Geschichte.«
    Seine Zimmer lagen im zweiten Stockwerk des Konvents, nicht weit von der Stelle, an der ich oben auf der Treppe stehen geblieben war. Welch ein Unterschied zu den unwirtlichen, ungeheizten Fluren! David hatte sich hier eine Bibliothek eingerichtet, mit Ti schen und Sesseln. Ein Messingbett stand da, trocken und sauber.
    »Dies sind ihre Zimmer«, sagte er. »Erinnerst du

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