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Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Titel: Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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gegangen, und nur ein paar irrten noch über die dunkle Stätte des Sabbat und ließen in gequältem Delirium ihre Gebete erschallen - lag ich, im feierlich stetigen Klang des Regens, ganz ruhig am Boden, das Gesicht gegen die Erde gepresst und ließ mich vom Regen rein waschen.
    Mir schien, dass die Mönche aus dem Kloster in Kiew da waren. Sie lachten mich aus, aber auf freundliche Art. Sie sagten: »Andrei, wieso dachtest du, du könntest entkommen? Wusstest du nicht, dass du von Gott berufen bist?«
    »Geht weg. Ihr seid gar nicht hier, und ich bin nicht hier, ich bin in die Irre gegangen, verloren in der düsteren Ode eines endlosen Winters.« Ich wollte mir IHN vorstellen. Sein heiliges Antlitz. Aber da war nur Allesandra, Allesandra, die gekommen war, um mir aufzuhelfen. Allesandra, die versprach, mir von den alten Zeiten zu erzählen, lange bevor Santino geschaffen worden war, als sie die Gabe der Finsternis erhalten hatte, dort in den Wäldern Frankreichs, in die wir nun gemeinsam ziehen würden.
    »O Gott, Gott, erhör mein Gebet«, flüsterte ich. Wenn ich doch nur das Heilige Antlitz sehen könnte!
    Aber das war uns verboten. Nie, niemals konnten wir Sein Antlitz betrachten. Bis ans Ende aller Zeiten mussten wir ohne diesen Trost unser Werk tun. Hölle ist die Abwesenheit Gottes.
    Was kann ich heute zu meiner Verteidigung sagen?
    Was kann ich sagen?
    Andere haben die Geschichte schon erzählt, wie ich unentwegt und treu Jahrhunderte lang der Anführer des Pariser Ordens war, wie ich während jener Zeit in Unwissenheit und Dunkelheit lebte, den alten Gesetzen gehorchte, bis kein Santino, kein römischer Orden sie mir mehr übermittelte, wie ich mich, in Lumpen und stille Verzweiflung gehüllt, an den alten Glauben und die alten Bräuche klammerte, während andere ins Feuer gingen, um ihr Leben zu beenden, oder einfach davonwanderten.
    Was kann ich zur Verteidigung des Bekehrten sagen, des Heiligen, der ich wurde?
    Dreihundert Jahre lang war ich das herumirrende Engelskind Satans, ich war sein kindergesichtiger Killer, sein Oberst, sein Tor. Allesandra blieb stets bei mir. Als andere vergingen oder uns verließen, war immer noch Allesandra da, die treu zum Glauben stand. Aber es war mein Sündenfall, mein Weg, meine schreckliche Narrheit, und diese Bürde muss ich tragen, solange ich lebe. An jenem letzten Morgen in Rom, ehe ich mich in den Norden aufmachte, wurde beschlossen, dass ich meinen Namen ändern musste.
    Amadeo enthielt das Wort für Gott, was für ein Kind der Finsternis höchst unpassend war, besonders für eines, das einen Orden anführen sollte.
    Nachdem sie mir mehrere Namen zur Auswahl genannt hatte, entschied sich Allesandra für »Armand«.
    So wurde ich zu Armand.

 
     

     
     
     
     
     
Teil 2
Die Seufzerbrücke

16
     
    I ch werde keinen Moment länger über die Vergangenheit reden. Es macht mir keinen Spaß. Es ist mir gleichgültig. Wie kann ich über etwas reden, das mich nicht interessiert? Interessiert es Sie vielleicht? Das Problem ist, dass über meine Vergangenheit schon viel zu viel geschrieben worden ist. Aber was, wenn Sie die Bücher nicht gelesen haben? Was, wenn Sie sich nicht genüsslich in Lestats blumige Beschreibung meiner Wenigkeit und meiner angeblichen Verblendungen und Irrtümer vertiert haben?
    Ja, ja, in Ordnung. Ein bisschen mehr erzähle ich noch. Aber nur bis zur der Stelle, wo ich in New York das Schweißtuch der Veronika sah. So müssen Sie wenigstens nicht Lestats Bücher lesen, sondern meines genügt.
    In Ordnung. Wir müssen die Seufzerbrücke überschreiten. Dreihundert lange Jahre hielt ich mich treu an Santinos alte Bräuche, selbst als Santino schon längst verschwunden war. Sehen Sie, dieser Vampir war nicht etwa tot. Er tauchte in unserer modernen Zeit wieder auf, bei guter Gesundheit, stark, schweigsam und ohne sich dafür zu entschuldigen, dass er mir im Jahre 1500, ehe er mich nach Paris schickte, das Gehirn mit seiner Weltanschauung verstopft hatte. Ich war damals vom Wahnsinn befallen. Den Orden leitete ich natürlich, und ich war sein Zeremonienmeister, der Herr und Gestalter der bizarren, düsteren Litaneien und der blutigen Ta ufriten. Mit jedem Jahr wuchs meine körperliche Kraft, wie es bei allen Vampiren der Fall ist, und da das Blut meiner Opfer die einzige Lust war, die ich mir gönnen durfte, nährte mein unersättlicher Blutdurst auch meine vampirischen Gaben.
    Die, die ich tötete, schlug ich zuvor in meinen Zauberbann, und

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