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Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Titel: Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Falten um ihre kleinen Brüste und die zarten Schenkel schmiegte. Ah, wie ein Engel des HERRN ist sie, dachte ich, diese Erbin des kopflosen Drogenbosses. Jeder Schritt, den sie macht, verkündet Lehrsätze, die die heidnischen Götter der Lust dazu brächten, sie auf der Stelle und mit Wonne heilig zu sprechen. An ihrer bleichen, süßen Kehle trug sie ein Kruzifix, so winzig, dass man glauben konnte, es sei nur ein kleines Käferlein, das von einer hauchdünnen Kette hing, deren feine Glieder von Elfen gewoben schienen.
    Was sind heute diese geheiligten Dinge, die so gedankenlos das milchig weiße Dekolletee schmücken, anderes als kommerzieller Kram? Das war ein unbarmherziger Gedanke. Aber ich registrierte auch ihre Schönheit nur gleichgültig. Ihre runden Brüste, deren Ansatz man deutlich unter dem schlichten Rand des Kleiderausschnitts sah, waren ein sprechender Beweis für Gott und Göttlichkeit.
    Aber ihr größter Schmuck war in diesem Augenblick ihre begeisterte, mit Tränen besiegelte Liebe zu Lestat, ihre Furchtlosigkeit angesichts seiner zerstörten Züge, die Anmut ihrer weißen Arme, die ihn abermals umfingen. Sie war ihrer selbst so sicher und so dankbar für das leichte Nachgeben seines Körpers, als sie ihn an sich zog! Ich war wirklich dankbar, dass sie ihn so liebte.
    »Also hatte der Fürst der Lügen etwas zu erzählen, nicht wahr?«, fragte sie. Sie konnte das Zittern in ihrer Stimme nicht unterdrücken. »Er hat dich also in seine Hölle mitgenommen und dich wieder gehen lassen?« Sie legte ihre Hände um Lestats Gesicht, damit er sie ansehen musste. »Dann erzähl uns, wie sie war, diese Hölle, sag uns, warum wir uns fürchten müssen. Sag uns, warum du dich fürchtest. Aber ich glaube, was ich da in dir sehe, ist etwas Schlimmeres als Furcht.« Er nickte zustimmend. Er schob den Stuhl zurück, rang die Hände und begann auf und ab zu schreiten, der unvermeidliche Vorspann für seine Erzählungen.
    »Hört mir erst bis zum Ende zu, ehe ihr urteilt«, s agte er, indem er uns fixierte, die kleine ängstliche Schar, die sich um den Tisch drängte und begierig darauf wartete, zu tun, was immer er von uns verlangte. Seine Augen verweilten auf dir, David, auf dir, dem englischen Gelehrten in dem männlichen Tweedanzug, der ihn trotz seiner überfließenden Liebe doch mit einem kritischen Auge betrachtete, bereit, seine Worte mit einer naturgegebenen Weisheit abzuwägen.
    Lestat begann zu erzählen. Stundenlang redete er. Stunde um Stunde strömten die Worte aus ihm hervor, feurig, sie überstürzten sich, ließen ihn stammeln, so dass er unterbrechen und tief Luft holen musste, aber er machte in dieser ganzen langen Nacht nie eine Pause, während er über seine Abenteuer berichtete.
    Ja, Memnoch, der Teufel, hatte ihn mit in die Hölle genommen, aber es war eine Hölle, die Memnoch entworfen hafte, ein reinigender Ort, an dem die Seelen aller Menschen, die je gelebt haften, willkommen waren, wenn sie aus eigenem Antrieb aus dem Wirbelwind, dem Mahlstrom, kamen, der sie nach dem Tod zuerst empfing. Und in diesem Purgatorium konfrontierte er sie mit all den zu Lebzeiten begangenen Taten, sie lernten die scheußlichste aller Lektionen, nämlich die endlosen Konsequenzen, die jede ihrer Taten hatte. Mörder wie Mütter, verlassene Kinder, in scheinbarer Unschuld abgeschlachtet, und Krieger, blutgetränkt vom Schlachtfeld - sie alle wurden in diesen schrecklichen Ort voller Rauch und schwefeligem Feuer eingelassen, nur um dann die klaffenden Wunden zu sehen, die ihre zornigen Hände geschlagen hatten, um die Seelen und die Herzen derer, die sie verletzt hatten, auszuloten!
    Das Grauenvolle war an jenem Ort nur eine Illusion, aber am grauenvollsten war die Person des leibhaftigen Gottes, der die Erlaubnis für diese letzte Schule erteilt hatte, damit die, die in sie eintraten. Seines Paradieses würdig wurden. Und das hatte Lestat auch gesehen, jenen Himmel, den Heilige und Sterbenskranke auf dem Totenbett schon tausend Mal erspäht haben, den Himmel mit unaufhörlich blühenden Bäumen und ewig lieblichen Blumen und ins Endlose ragenden Kristalltürmen voller glückseliger Wesen, vom Fleisch befreit und endlich eins mit zahllosen singenden Engelschören. Die Geschichte war nicht neu. Sie war zu alt. Sie war zu oft erzählt worden - der Himmel mit seinen geöffneten Toren, und Gott, unser Schöpfer schüttet sein immer währendes Licht über die aus, die die mythischen Stufen erklimmen, um für immer

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