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Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Titel: Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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er ist hin, er ist tot, er ist tot!«
    Aber sie hörte ihn gar nicht. Sie spielte ohne Unterlass, pflügte sich summend durch die tranceartigen, tiefen Noten, bis sie die Lippen teilte und zu Gesang überwechselte, einem kleinen, einsilbigen Liedchen.
    Ich war randvoll mit seinem Blut. Ich spürte, wie es durch mich hindurchspülte. Ach, ich liebte es, jeden einzelnen Tropfen. Ich hatte sehr schnell getrunken, und als ich jetzt wieder zu Atem kam, trat ich langsam, so leise es ging - als ob sie mich hören konnte - zum anderen Ende des Flügels und stellte mich dort auf, um sie zu betrachten. Sie hatte ein schmales, zartes Gesichtchen, mädchenhaft, mit tief liegenden großen Augen. Aber überall trug sie blaue Flecke. Und dann die blutroten Kratzer auf ihrer Wange! Und an der Schläfe sah man einen Ring blutiger Pünktchen, wo ihr ein Büschel Haare ausgerissen worden war.
    Sie kümmerte sich um nichts. Die grünlich schwarz verfärbten Blutergüsse auf ihren bloßen Armen beachtete sie nicht. Sie spielte einfach weiter.
    Wie zerbrechlich ihr Nacken wirkte, selbst mit den schwärzlichen, aufgeworfenen Malen, die seine groben Finger darauf hinterlassen hatten! Und ihre knochigen Schultern waren so anmutig, so schmal, dass ihr das dünne, geblümte Baumwollkleid fast herunterrutschte. Sie hatte ihre starken, aschblonden Augenbrauen leicht zusammengezogen, während sie konzentriert vor sich hin sah, nichts als ihre wogende, aufbrausende Musik im Kopf, und nur ihre langen Finger ihre riesige, unbezwingbare Kraft bezeugten.
    Ihr Blick wanderte zu mir, und sie lächelte, als hätte sie gerade etwas recht Erfreuliches gesehen. Ein, zwei, drei Mal nickte sie im schnellen Takt der Musik, aber es sah aus, als ob sie mir zunickte. »Sybelle«, flüsterte ich. Ich legte meine Fingerspitzen an die Lippen und küsste sie, dann blies ich ihr den KUSS zu, während ihre Finger unerbittlich arbeiteten. Jetzt verschleierte sich ihr Blick, sie war wieder weit weg. Beim nächsten Satz musste sie die Geschwindigkeit steigern, und mit solcher Kraft stürzte sie sich auf die Tasten, dass ihr Kopf in den Nacken flog. Und die Sonate erwachte abermals zu triumphierendem, glorreichem Leben.
    Etwas, das mächtiger war als das Licht der Sonne, umgab mich. Eine so umfassende Kraft, dass sie mich in sich auf- und aus dem Zimmer saugte, aus der Welt selbst, fort von Sybelles Spiel, fort von all meinen Sinnen.
    »Neiiiin, nimm mich jetzt nicht fort!«, kreischte ich lauthals, aber eine riesige, leere Schwärze verschluckte mein Schreien.
    Schwerelos, meine schwarz verbrannten Glieder von mir gestreckt, flog ich in eine Hölle zermarternden Schmerzes. Das kann nicht mein Körper sein, schluchzte ich, als ich das schwarze, an die Muskeln geschweißte, lederartige Fleisch betrachtete, unter dem man jede Sehne erkennen konnte. Und meine Fingernägel krümmten sich wie verkohlte Hornstückchen. Nein, nicht so, nicht mein Körper … weinte ich, ach, Mutter, hilf mir, hilf mir! Benjamin, hilf mir …
    Und dann begann ich zu fallen. Ach, jetzt konnte mir niemand mehr helfen, außer einem Wesen.
    »Gott, gib mir Mut!«, rief ich. »Gott, wenn es nun so weit ist, gib mir Mut, Gott, ich kann meinen Verstand nicht ausschalten, Gott, sag mir, wo ich bin, Gott, lass mich verstehen, was geschieht. Gott, wo ist die Kirche, wo sind Brot und Wein, Gott, wo ist sie, Gott, hilf mir, hilf mir.«
    Ich fiel und fiel, vorbei an hoch ragenden Glaskonstruktionen, vorbei an vergitterten, schmutzigen Scheiben, an Hausdächern und Kirchtürmen. Der scharfe Wind heulte um mich herum, als ich durch die stechenden, eisigen Graupel des Sturms immer tiefer und tiefer fiel. Ich fiel an dem Fenster vorbei, an dem unverkennbar die Gestalt des kleinen Benjamin stand. Seine Hand hielt den Vorhang, und für einen Sekundenbruchteil hefteten sich seine schwarzen Augen auf mich, sein Mund war leicht geöffnet. Kleiner arabischer Engel. Und während ich fiel, merkte ich, wie die Haut meiner Beine einschrumpfte, sich spannte, so dass ich die Gelenke nicht mehr beugen konnte, und mein Gesicht spannte so sehr, dass ich den Mund nicht öffnen konnte, und dann, mit einem Schmerz wie Todesqual, stürzte ich in den fest gefrorenen Schnee.
    Meine offenen Augen wurden von einer Feuerwoge überrollt. Die Sonne war vollends aufgegangen. »Nun werde ich sterben. Ich werde sterben«, flüsterte ich. »Und in diesem letzten Moment, von Lähmung befallen, in brennender Hitze, wo die Welt dahin ist und

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