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Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Titel: Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Zähne - ah, ja, sogar Zähne! - fegten sie in die kleinen Beutel. Und dann nahmen sie aus einer Reihe Karteischränke in Plastik eingeschweißte Kleiderfetzen. Mein Herz raste. Ich rührte mich unter dem Eis, das mit einem leisem Knistern reagierte. O Herz, sei ruhig. Lass mich sehen. Meine Spitzenrüschen waren das, meine Spitze, die feine, dichte venezianische Spitze, leicht angesengt an den Rändern, und ein paar Fetzen purpurroter Samt hafteten noch daran! Ja, meine armseligen Kleiderreste, die holten sie aus dem mit einem Schildchen versehenen Fach und steckten sie in die Beutel.
    Marius hielt plötzlich inne. Ich wandte Kopf und Geist von ihnen ab. Entdeckt mich bloß nicht! Entdeckt ihr mich und kommt her, dann schwöre ich bei Gott, ich werde … Was werde ich? Ich habe nicht einmal die Kraft, mich zu bewegen! Ich habe keine Kraft zu entkommen. Ach, Sybelle, bitte, spiel für mich, ich muss dem entkommen!
    Aber dann fiel mir ein, dass er mich gemacht hatte, dass er mich nur über seinen Gefährten aufspüren konnte, und Santinos Geist war schwächer, verschwommener. Mein Herzschlag verlangsamte sich. Ich holte aus der Datenbank meines Gedächtnisses den Klang des Musikstückes, ich versah es mit Zahlen und Daten, mit all dem Kleinkram, den ich über die Jahrhunderte angesammelt hatte: Beethoven hatte dieses Meisterstück geschrieben, es war die Sonate Nr. 25 in F-Moll, Opus 57. Denk an so etwas. Denk an Beethoven. Stell dir eine kalte Nacht in Wien vor - vorstellen, sage ich, denn eigentlich wusste ich nichts -, stell dir also vor, wie er mit kratzender Feder seine Noten schreibt, die er vielleicht selbst nicht hören konnte. Stell dir vor, dass er nur einen Bettelpfennig dafür bekam. Und stell dir vor und du lächelst schmerzlich, so dass deine Gesichtshaut blutend aufreißt -, wie sie ihm Klavier um Klavier bringen mussten, weil er die Tasten so kraftvoll, so drängend anschlug, weil er so wild darauf herumhämmerte.
    Und sie, die hübsche Sybelle, sie war seine echte Tochter, wenn ihre kraftvollen Finger mit so fürchterlicher Gewalt die Tasten anschlugen, so dass es ihn sicherlich ungeheuer erfreut hätte, wenn er sie in einer fernen Zukunft hätte sehen können - dieses eine durch und durch fanatische Mädchen unter all den feurigen Schülern und Anbetern. In dieser Nacht war es wärmer. Das Eis schmolz. Ich konnte es nicht verleugnen. Mit zusammengepressten Lippen hob ich die rechte Hand. Eine Höhle war entstanden, in der ich die Finger bewegen konnte. Aber ich vermochte die Gedanken an die beiden nicht aus meinem Kopf zu vertreiben, Marius und Santino - dieses ungleiche Paar, mein Vater und der andere, der versucht hatte, ihn zu vernichten. Ich musste sie noch einmal kontrollieren. Vorsichtig sandte ich einen schwachen, tastenden Gedankenstrahl aus. Und in Sekundenschnelle hatte ich sie erwischt.
    Sie standen in den Kellergewölben des Gebäudes vor einer Verbrennungsanlage und stopften all ihre gesammelten Beweise hinein. Beutel für Beutel schrumpfte knisternd in den Flammen zusammen. Wie seltsam. Wollten sie sich diese Fetzen und Reste nicht erst selbst unter dem Mikroskop ansehen? Aber das hatten sicher schon andere Vampire getan, und warum sollte man von Höllenfeuer gebratene Reste untersuchen, wenn man sich von der eigenen Hand bleiches, weißes Gewebe schneiden und es auf die Glasplättchen des Mikroskops legen konnte, während die Wunde schon wieder auf wundersame Weise heilte, so wie meine Wunden sogar jetzt heilten? Ich ließ meinen Blick auf ihnen dort unten in dem düsteren, niederen Kellergeschoss verweilen. Ich sammelte meine ganze telepathische Kraft und betrachtete Santinos besorgte, weiche Züge - Santino, der meine einzige Jugend zerschlagen hatte. Ich sah meinen Herrn von einst, der fast sehnsüchtig in die Flammen blickte. »Wir sind fertig«, sagte er leise, befehlend. Er redete in perfektem Italienisch mit dem anderen. »Ich wüsste nicht, was wir sonst noch tun könnten.«
    »Reiß den Vatikan nieder und stiehl ihnen das Schweißtuch«, antwortete Santino. »Welches Recht haben sie, es sich anzueignen?« Marius reagierte zuerst schockiert, dann mit einem höflichen, gefassten Lächeln. »Warum?«, fragte er, als habe er nichts zu verbergen. »Was bedeutet uns das Tuch, mein Freund? Meinst du, es würde ihn wieder zu Verstand bringen? Vergib mir, Santino, aber du bist wirklich noch sehr jung.«
    Zu Verstand? Ihn zu Verstand bringen? Sie mussten Lestat meinen, eine andere

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