Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir
antriebe oder nach oben stieß.
Wir wirbelten durch die Luft, so kam es mir jedenfalls vor, und als ich die Augen öffnete, standen wir in einem mir vertrauten Zimmer. Um uns schwangen lange, goldgelbe Vorhänge sachte aus. Es war warm hier. Ich sah den glitzernden Umriss eines goldenen Schwans. Wir waren in Biancas Räumen, in ihrer privaten Zuflucht, in ihren persönlichen Gemächern.
»Herr!«, sagte ich, von Angst und Abneigung ergriffen, weil wir auf diese Weise, ohne auch nur ein Wort der Ankündigung, in ihre Wohnung eingedrungen waren.
Durch die geschlossenen Türflügel fiel ein schmaler Lichtstreifen auf den Parkettboden mit dem dicken persischen Teppich, er reichte bis auf das tief ins das Holz geschnitzte Schwanengefieder des Bettes. Der Stimmenwirrwarr jenseits der Türen wurde von eiligen Schritten übertönt. Bianca wollte allein erkunden, woher der Lärm stammte, den sie gehört hatte.
Als sie die Tür öffnete, fegte ein Schwall kalter Luft vom offenen Fenster herein. Um die Zugluft zu unterbinden, knallte sie die Türen zu, ohne Furcht zu zeigen. Mit untrüglich sicherem Griff nahm sie die nächststehende Lampe und drehte den Docht hoch. Im aufflammenden Licht sah ich, dass ihr Blick auf meinem Herrn haftete, obwohl sie auch mich gesehen haben musste.
Sie war ganz dieselbe, die ich vor ein paar Stunden, zwischen denen Welten zu liegen schienen, verlassen hatte, nun in goldfarbenen Samt und Seidenstoffe gekleidet. Ein Teil ihres Haares war zu einem Zopf geflochten und auf ihrem Hinterkopf zusammengesteckt, um die Haarfülle, die ihr in glänzenden Wellen über Schultern und Rücken fiel, niederzuhalten.
Auf ihrem schmalen, lebhaften Gesicht spiegelten sich Fragen und Erschrecken. »Marius«, sagte sie. »Wie das, mein Herr, du kommst in meine Privaträume, und auf so ungewöhnliche Art? Wie, du kommst durch das Fenster, und Amadeo ist bei dir? Was ist das, bist du eifersüchtig auf mich?«
»Nein, aber ich würde gern ein Geständnis hören«, sagte mein Herr. Selbst seine Stimme bebte. Als er sich ihr näherte, hielt er mich so fest bei der Hand, als wäre ich noch ein Kind. Seine langen Finger streckten sich ihr anklagend entgegen. »Sag es ihm, mein herzliebster Engel, sag ihm, was hinter deinem berühmt schönen Antlitz steckt.«
»Ich weiß nicht, was du meinst, Marius. Aber du verärgerst mich. Und ich befehle dir, mein Haus zu verlassen. Amadeo, was sagst du zu dieser Beleidigung?«
»Ich weiß nicht, Bianca«, murmelte ich. Ich hatte schreckliche Angst. Nie zuvor hatte die Stimme meines Gebieters gezittert, und nie zuvor hatte ihn jemand so vertraut mit Namen angesprochen.
»Verlasse mein Haus, Marius. Sofort. Ich appelliere an den Ehrenmann in dir.«
»Ach, und wie denn ging dein Freund Marcellus, der Florentiner, der, den du mit listigen Worten hierher locken solltest, der, dessen Wein du mit so viel Gift versetzt hast, dass es für zwanzig Mann gereicht hätte?«
Das Gesicht meiner Dame zeigte Bitterkeit, aber nicht wirklich Härte. Wie eine Prinzessin, aus Porzellan gegossen, erschien sie, während sie meinen zornigen, bebenden Herrn mit abschätzenden Blicken maß. »Was kann dir das bedeuten, gnädiger Herr?«, fragte sie. »Bist du der Hohe Gerichtshof oder gar der Zehnerrat? Bring mich vor Gericht, wenn du willst, du heimlicher Zaubermeister! Bring Beweise für deine Behauptung.«
Mit trotzig gehobenem Kinn reckte sie den Hals und verharrte in einer Haltung gespannter Würde.
»Mörderin«, sagte mein Herr. »Ich lese in den geheimen Stübchen deines Geistes, ein Dutzend Geständnisse, ein Dutzend grausame, erbarmungslose Taten, ein Dutzend Verbrechen -«
»Nein, du kannst nicht über mich urteilen! Du magst ein Zauberer sein, aber du bist kein Engel, Marius. Nicht du mit deinen Knaben.« Er zerrte sie zu sich heran, und abermals war ich Zeuge, wie sich sein Mund öffnete. Ich sah die todbringenden Zähne.
»Nein, Herr, nein!« Ich riss mich aus seinem Griff los, den er unachtsam gelockert hatte und stürzte mich mit den Fäusten auf ihn, warf mich zwischen die beiden und schlug mit all meiner Kraft auf ihn ein. »Herr, das könnt Ihr nicht tun! Mir ist gleich, was sie gemacht hat. Wozu sucht Ihr nach Gründen? Ihr nennt sie erbarmungslos? Sie! Und was ist mit Euch?«
Bianca sank rücklings gegen ihr Bett, stemmte sich mühsam wieder hoch und verkroch sich in dem dämmrigen Hintergrund. »Du bist der personifizierte Höllenfürst«, flüsterte sie. »Du bist ein
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