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Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Titel: Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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der Tod sie beim Bankett ereilen«, sagte mein Herr nachdenklich. Er stand am Rande des Daches und hielt sich an dem steinernen Geländer fest. Der Wind zerrte an seinem Umhang, und er hob den Blick zu den Sternen.
    »Ich möchte zusehen«, sagte ich.
    Er schloss die Augen, als hätte ich ihm einen Schlag versetzt. »Glaubt nicht, dass ich gefühlskalt bin, Herr«, sagte ich. »Glaubt nicht, dass ich übersättigt und an Grausamkeiten und Gewalttaten gewöhnt bin. Ich bin nur der Tor, der Gott ergebene Tor. Wir stellen keine Fragen, wenn ich mich recht erinnere. Wir lachen, und wir nehmen alles hin, und wir verwandeln das Leben in ein Freudenfest.«
    »Dann komm also mit mir. Dort unten befindet sich eine ganze Gesellschaft von diesen gerissenen Florentiner Schurken. Ach, und ich bin so hungrig! Ich habe lange Zeit gerastet für eine Nacht wie diese.«

5
     
    V ielleicht fühlen Sterbliche sich so, wenn sie in Wäldern und Dschungeln Jagd auf großes Wild machen.
    Ich auf jeden Fall fühlte eine wahnsinnige Erregung, als wir die Treppe vom Dach zum Bankettsaal dieses neu erbauten, protzig ausgeschmückten Palazzo hinabschritten. Gleich würden Männer sterben. Männer würden ermordet werden. Männer, die schlecht waren, die der schönen Bianca ein Unrecht angetan hatten, würden getötet werden, ohne dass es für meinen allmächtigen Gebieter oder für sonst jemanden, den ich kannte oder liebte, eine Gefahr bedeutete. Eine ganze Armee Söldner hätte nicht weniger Mitleid fühlen können, als ich für diese Individuen hatte. Als die Venezianer über die Türken herfielen, hatten sie vielleicht mehr Mitgefühl für ihre Feinde als ich jetzt.
    Ich war fasziniert. Der Geruch von Blut war schon in mir verankert, wenn auch nur symbolisch. Ich wollte auf jeden Fall Blut fließen sehen. Ich mochte Florentiner sowieso nicht, und für Geldgeschäfte hatte ich gar kein Verständnis, und ganz eindeutig wollte ich schnelle Rache, nicht nur an denen, die Bianca ihrem Willen unterworfen hatten, sondern auch an denen, die sie dadurch dem Durst meines Herrn ausgeliefert hatten. Also sollte es geschehen.
    Wir traten in einen geräumigen, eindrucksvollen Bankettsaal, in dem sich eine Gesellschaft von ungefähr sieben Männern an einem köstlichen gebratenen Schwein gütlich tat. Ringsum war der Raum mit schweren, flämischen Wandteppichen geschmückt, die von langen, eisernen Stangen bis zum Boden herabhingen und selbst die Fenster verdeckten. Alle waren noch sehr neu und zeigten in prächtigen Jagdszenen edle Damen und Herren mit ihren Rössern und Hunden. Der Boden bestand aus vielfarbigem Marmor mit einem herrlichen Muster aus Pfauenvögeln, in deren fächergleiche Schwänze sogar Edelsteine eingelegt waren.
    Auf der einen Seite des überbreiten Tisches saßen drei Männer und aßen schlabbernd und schmatzend - man konnte es nicht anders nennen - von voll gehäuften, goldenen Platten, die schon mit klebrigen Fischgräten und Geflügelknochen übersät waren. Und von dem gerösteten Schwein, dem armen, gemästeten Ding, war nur mehr der Kopf übrig, unwürdig geschmückt mit dem üblichen Apfel, als sei das der höchste Ausdruck seines letzten Willens.
    Die anderen drei Männer - alle jung und durchaus hübsch und, nach ihren muskulösen Beinen zu urteilen, von athletischer Statur bewegten sich in einem kunstvollen Reigen, der ihre Hände immer wieder im Mittelpunkt des Kreises zusammenrührte, während ein Trüppchen Knaben die Instrumente bearbeitete, deren hämmernden Rhythmus wir schon auf dem Dach vernommen hatten.
    Die Schmauserei hatte an allen Männern Fettspuren und Kleckse hinterlassen. Doch keiner hatte auf die modische, lang wallende Haartracht verzichtet, und ihre Kleidungsstücke, ob Hose oder Wams, bestanden aus schwerer, reich verzierter Seide. Ein Feuer gab es nicht im Raum, das war auch nicht nötig, denn alle Männer hatten sich herausgeputzt und trugen Samtjacken, die mit gepudertem Hermelin oder Feh oder Silberfuchs abgesetzt waren.
    Einer von ihnen, dem man es kaum noch zugetraut hätte, goss aus einem Krug Wein in die überschwappenden Kelche. Und die drei Tänzer hätten zwar nach höfischen Regeln schreiten sollen, doch sie benahmen sich ungehobelt und schoben und stießen sich in einer Art absichtlicher Parodie auf die bekannten Tanzschritte.
    Ich sah sofort, dass die Dienerschaft schon fortgeschickt worden war. Mehrere Kelche waren verschüttet worden. Trotz des Winters hatten sich kleine Mücken über

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