Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs
Meinung bestärkte, dass die eingeborenen MajaIndios bezaubernde Menschen sind. Es kamen vorwiegend Frauen. Sie trugen hübsche weiße Kleider mit außerordentlich schönen Stickereien. Ringsum sah ich Gesichter, wie ich sie von den antiken Abbildungen kannte, die uns in der Kunst der Maja und vielleicht der Olmeken überliefert worden sind.
Die meisten Männer des Dorfes waren nicht da. Sie arbeiteten auf weit entfernten Zuckerrohrplantagen oder der nächsten Gummibaumfarm, so erzählte man uns. Ich fragte mich, ob sie dazu gezwungen wurden, und entschied mich, lieber nicht nachzufragen. Was die Frauen anging, so wanderten sie fast täglich viele Meilen, um ihre kunstfertig geflochtenen Körbe und bestickten Leinenstoffe in einem großen Marktflecken zu verkaufen. Sie waren dankbar, dass sie ihre Waren auch einmal im eigenen Ort anbieten konnten.
Es gab kein Hotel, nicht einmal ein Postamt und weder Telefon noch eine Telegrafenstation - aber mehrere alte Frauen hätten uns nur zu gern Unterkünfte in ihren Häusern vermietet. Unsere Dollars waren sehr willkommen. Es wurden schöne kunsthandwerkliche Artikel angeboten, und wir knauserten nicht beim Kauf. Auch Lebensmittel gab es reichlich.
Ich wollte als Erstes die Kirche besichtigen, doch eine Einheimische erklärte mir auf Spanisch, dass ich nicht durch das Hauptportal eintreten dürfe, ohne vorher die Erlaubnis der Gottheit erbeten zu haben, die über diesen Eingang herrschte. Natürlich könne ich den Seiteneingang benutzen, wenn ich wollte. Da ich niemanden vor den Kopf stoßen wollte, nahm ich den Seiteneingang und fand mich in einem schlichten, weiß getünchten Raum inmitten alter holzgeschnitzter Statuen im spanischen Stil und der üblichen flackernden Kerzen wieder ein wahrhaft trostreicher Ort.
Ich glaube, ich betete hier wie in früheren Tage n in Brasilien. Ich betete zu all den unsichtbaren, wohlwollenden Gottheiten, uns zu begleiten und vor Schaden zu behüten.
Kurze Zeit später gesellte sich Merrick zu mir - sie schlug ein Kreuz und kniete zu einem langen Gebet vor dem Altargitter nieder. Schließlich ging ich hinaus, um dort auf sie zu warten. Draußen traf ich auf einen verhutzelten Alten von kleinem Wuchs und mit schulterlangen schwarzen Haaren. Er trug eine schlichte Kombination aus Hemd und Hose, beides fabrikgefertigt. Ich erkannte sofort, dass er der Schamane des Dorfes war. Ich verneigte mich ehrerbietig vor ihm, doch obwohl er seine Augen ohne auch nur die Andeutung einer Drohung auf mir ruhen ließ, ging ich rasch weiter.
Mir war heiß, aber ich war über alle Maßen glücklich. Das Dorf wurde von Kokospalmen begrenzt, und da es auf einer Hochebene lag, wuchsen sogar ein paar Kiefern. Und als ich an dem angrenzenden Dschungel entlangschritt, sah ich zum ersten Mal in meinem Leben wundersame Schmetterlinge durch das grün gefleckte Dämmerlicht flattern.
Wieder und wieder empfand ich ein so tiefes Glücksgefühl, dass ich hätte Tränen vergießen können. Im Stillen war ich Merrick zutiefst dankbar für diese Reise. Und im Innersten meines Herzens sagte ich mir, dass sich dieses Erlebnis für mich schon jetzt gelohnt hatte, gleichgültig, was von nun an noch geschehen mochte. Als es an unsere Unterbringung ging, schlossen wir einen Kompromiss. Merrick bat unsere vier Assistenten, hinter dem letzten, etwas abseits vom Dorf gelegenen Haus ein Zelt für uns zu errichten und auszustatten und anschließend für sich selbst Unterkünfte im Dorf zu suchen. Das erschien mir ganz vernünftig, bis mir aufging, dass wir, die beiden Zeltinsassen, kein Ehepaar waren und die Sache dadurch natürlich sehr unschicklich war. Aber was sollte es! Unser Abenteuer versetzte Merrick wie auch mich in fieberhafte Erregung, und ich war begierig darauf, mit ihr allein zu sein. Unsere Helfer richteten das Zelt mit Feldbetten, La ternen, Klapptischen und Stühlen ein, versorgten Merricks Laptop ausreichend mit Batterien, und nach einem herrlichen Mahl aus Tortillas, Bohnen und Fleisch von wildem Truthahn ließen sie uns, als die Nacht herabsank, in schönster Zweisamkeit zurück, damit wir bereden konnten, wie wir am nächsten Tag vorgehen wollten. »Ich habe nicht vor, die Männer mitzunehmen«, erklärte Merrick. »Hier steht kein Angriff von Wegelagerern zu befürchten, und ich sagte dir ja schon, dass der Weg nicht weit ist. Ich kann mich an eine kleine Siedlung erinnern, noch viel kleiner als dieses Dorf hier. Die Leute dort werden uns auch nicht
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