Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs
gehen, ihr dürft euch nicht auf einen Kampf mit ihnen einlassen, tut nichts, nur das, was ich euch sage.«
»Ich verstehe«, wiederholte Louis. »David, habe ich dein Wort?«, fragte sie ruhig. »Ganz wie du willst, Merrick«, sagte ich mürrisch. »David, behalt deine Meinung für dich!«, forderte sie. »Was soll ich sagen, Merrick?«, wollte ich wissen. »Wie kann ich mit ganzem Herzen bei dieser Sache sein? Genügt es nicht, dass ich hier stehe? Genügt es nicht, dass ich tue, was du sagst?«
»David, vertrau mir«, sagte sie. »Du bist zu mir gekommen und hast um diesen Zauber gebeten. Nun bekommst du, worum du gebeten hast. Vertraue darauf, dass es zu Louis’ Bestem ist. Vertraue darauf, dass ich alles, was ich hier tue, unter Kontrolle habe.«
»Über Zauberei zu sprechen«, sagte ich sanft, »darüber zu lesen, sie zu studieren - all das ist eine Sache. Aber teil daran zu haben, in der Gegenwart einer Person zu sein, die daran glaubt und sie kennt - das ist etwas ganz anderes.«
»Nimm dich zusammen, bitte, David«, sagte Louis. »So dringend wie dies hier habe ich noch nie etwas gewollt. Merrick, bitte fahre fort.«
»Gib mir dein Ehrenwort, David«, sagte Merrick. »Du wirst dich nicht in die Dinge, die ich sage und tue, einmischen.«
»In Ordnung, Merrick«, sagte ich besiegt.
Erst danach ließ sie es zu, dass ich mir die Gegenstände, die auf den Tischen lagen, näher ansah. Da war die armselige alte Puppe, die Claudia gehört hatte, schlaff wie ein toter Säugling. Und die Seite aus dem Tagebuch, die von dem runden Porzellankopf der Puppe beschwert wurde. Daneben lagen das Perlenhäufchen des Rosenkranzes und die kleine Daguerreotypie in ihrer dunklen Hülle. Dann war da noch ein eisernes Messer.
Auch einen goldenen Kelch sah ich, mit wunderschönen Gravuren und einem mit Edelsteinen eingefassten Rand. Eine schlanke Kristallflasche schien ein klares gelbes Öl zu enthalten. Zudem entdeckte ich dicht neben dem Kessel die spitze, scharfe Jadeklinge, in meinen Augen ein bösartiges, gefährliches Ding. Und dann sah ich ganz plötzlich etwas wie einen menschlichen Schädel. Diese letzte Entdeckung machte mich wütend. Rasch nahm ich zur Kenntnis, was sich auf dem zweiten Tisch befand, der vor Louis stand, und entdeckte dort einen Rippenknochen, der mit Zeichen versehen war, und die widerwärtige, verschrumpelte schwarze Hand. Drei Flaschen Rum standen ebenfalls da. Außerdem andere Gegenstände - ein schöner goldener Krug voller Honig, dessen süßer Duft mir in die Nase stieg, und ein zweiter silberner Krug mit frischer Milch und glänzendes Salz in einer Bronzeschale. Der Weihrauch nun, stellte ich fest, war hier und dort verteilt worden und brannte schon vor den fernen, treuherzigen Heiligenbildern.
Tatsächlich hatte Merrick eine große Menge Weihrauch in Form eines großen Kreises - eines Kreises, den ich erst jetzt wahrnahm auf den purpurnen Bruchsteinen zu unseren Füßen ausgestreut, und er glomm nun sachte vor sich hin, während der davon aufsteigende Rauch sich im Dunkel verlor.
Mich drängte es zu fragen: Wo ist der Totenschädel her? Hatte Merrick ein namenloses Grab geplündert? Ein schrecklicher Gedanke kam mir, den ich schnell zu unterdrücken versuchte. Ich sah noch einmal den Schädel an und bemerkte, dass er mit Schriftzeichen überzogen war. Es war unheimlich und abscheulich, doch die Schönheit, die all dies umfasste, war zugleich verführerisch und mächtig und unanständig.
Doch ich machte nur eine Bemerkung über den Kreis. »Darin werden sie erscheinen«, murmelte ich, »und du glaubst, dass der Weihrauch sie dort festhalten wird.«
»Wenn es sein muss, werde ich ihnen sagen, dass der Weihrauch sie dort hält«, sagte Merrick kalt. »Und jetzt musst du deine Zunge im Zaum halten, wenn du schon nicht dein Herz im Zaum halten kannst. Bitte keine Gebete, während du zuschaust. Ich bin bereit zu beginnen.«
»Was ist, wenn der Weihrauch nicht reicht?«, flüsterte ich. »Diese Menge wird noch stundenlang brennen. Sieh doch die vielen kleinen Kegel, benutze deine fähigen Vampiraugen, und lass die dummen Fragen sein.«
Ich fügte mich. Ich konnte es sowieso nicht mehr ändern. Und nun erst, als ich resignierte, merkte ich, dass ich diesen ganzen Vorgang doch sehr reizvoll fand. Merrick schritt nun zur Tat. Unter dem Tisch holte sie ein kleines Bündel trockener Zweige hervor und schob sie in die Kohlenglut unter dem eisernen Kessel. »Lasst dieses Feuer für unsere Zwecke
Weitere Kostenlose Bücher