Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs
um Ihre Schwester zu rufen, Honey in the Sunshine. Lassen Sie uns heute Nacht mein Blut nehmen, um Claudia zu rufen. Ich habe genug Blut für ein Brand opfer. In mir ist genug Blut für einen ganzen Kessel oder für ein Feuer.«
Merricks Gesicht war wieder ganz ruhig, stellte ich fest. »Ein Kessel soll es sein«, sagte sie. »In einer Stunde. Im Hinterhof stehen die alten Heiligenfiguren, ich sagte es schon. Die Steine, auf denen meine Vorfahren tanzten, sind schon rein gekehrt für unsere Zwecke. Der alte Kessel steht auf den Kohlen. Die Bäume dort haben schon viele Male ein solches Schauspiel gesehen. Ich muss nur noch ein paar Kleinigkeiten vorbereiten. Geht, und kommt zur genannten Zeit zurück.«
18
Ich war außer mir vor Sorge. Sobald wir draußen auf dem Pflaster standen, packte ich Louis bei den Schultern und wirbelte ihn zu mir herum, damit er mich ansehen musste. »Wir lassen es sein«, sagte ich. »Ich gehe jetzt zurück und sage Merrick, dass es nicht stattfindet.«
»Nein, David. Es wird stattfinden«, erwiderte Louis, ohne die Stimme zu heben. »Du wirst es nicht verhindern.« Mir wurde bewusst, dass er zum ersten Mal, seitdem wir uns kannten, von Leidenschaft und Zorn bewegt war, wenn sich auch sein Zorn nicht allein auf mich richtete.
»Es wird stattfinden«, wiederholte er mit zusammengebissenen Zähnen und mit vor stiller Wut verhärteten Zügen. »Und wir werden sie heil und gesund bewahren, wie wir versprochen haben! Aber wir machen weiter!«
»Louis, merkst du nicht, wie sie fühlt?«, fragte ich. »Sie ist dabei, sich in dich zu verlieben! Sie wird nach dieser Sache nie wieder dieselbe sein. Ich darf nicht zulassen, dass sich diese Gefühle vertiefen. Ich kann nicht zulassen, dass alles noch schlimmer wird, als es schon ist.«
»Sie ist nicht in mich verliebt, das stimmt nicht«, erklärte er in nachdrücklichem Flüsterton. »Sie denkt, was alle Sterblichen denken: Wir sind in ihren Augen einfach schön. Wir sind exotisch. Wir sind so sensibel! Ich habe das alles schon erlebt. Ich brauche nichts anderes zu tun, als in ihrer Gegenwart ein Opfer leer zu trinken, und schon ist sie von ihren romantischen Vorstellungen geheilt. Aber so weit werde ich es nicht kommen lassen, das verspreche ich dir. Also, David, hör zu, diese Stunde Wartezeit wird sich jetzt endlos dehnen. Ich habe Durst. Ich habe vor zu jagen. Lass mich los, David. Geh mir aus dem Weg.« Natürlich ließ ich ihn nicht los.
»Und was ist mit deinen Gefühlen, Louis?« Ich ging neben ihm her, entschlossen, mich nicht von ihm abhängen zu lassen. »Willst du mir etwa erzählen, du wärst nic ht völlig vernarrt in sie?«
»Und wenn, David?«, gab er zurück, ohne seine Schritte zu verlangsamen. »David, du hast sie mir nicht richtig beschrieben. Du hast mir erzählt, wie stark sie ist, wie schlau, wie raffiniert. Aber du bist ihr damit nicht gerecht geworden.« Er schenkte mir einen flüchtigen, scheuen Blick. »Nie hast du etwas davon gesagt, wie einfach, wie süß und lieb sie ist. Du hast mir nicht gesagt, dass sie so durch und durch gütig ist.«
»So siehst du sie?«
»So ist sie, mein Freund.« Er mochte mich nicht ansehen. »Was für eine Schule, die Talamasca, dass sie euch beide hervorgebracht hat! Merrick hat eine geduldige Seele und ein wissendes Herz.«
»Ich möchte, dass wir die Sache abbrechen«, drängte ich abermals. »Ich traue weder dir noch ihr. Louis, hör auf mich!«
»David, glaubst du wirklich, ich würde ihr etwas antun?«, fragte er scharf, ohne stehen zu bleiben. »Suche ich mir etwa Opfer aus, die von Natur aus sanft sind? Menschen, von denen ich glaube, dass sie gut und außergewöhnlich stark sind? Sie wird vor mir immer sicher sein, verstehst du das nicht, David? Ich habe nur ein einziges Mal in meinem elenden Leben einen Zögling gemacht, und das war vor hundert Jahren. Unter uns gibt es keinen, der sie weniger gefährdet als ich. Fessele mich, damit sie bis zu ihrem Tode vor mir geschützt ist, und ich würde es möglicherweise über mich ergehen lassen! Ich verspreche dir, wenn das hier vorbei ist, werde ich mich davonstehlen.« Er schritt voran und fuhr fort: »Ich werde eine Möglichkeit finden, ihr angemessen zu danken und ihr gleichzeitig ihre Ruhe zu lassen. Am besten machen wir das gemeinsam, David, du und ich. Dring jetzt nicht weiter in mich. Du kannst mich nicht aufhalten. Es ist schon zu weit vorangeschritten.« Ich glaubte ihm. Ich glaubte ihm voll und ganz. »Was soll ich
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