Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs

Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs

Titel: Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
Vom Netzwerk:
Blick zu den winzigen Sternen hob. »Agatha«, sagte er leise. Es klang wie ein Gebet. »Agatha?«, wiederholte ich. Ich sorgte mich wirklich um ihn. »Claudias Mutter«, antwortete er, indem er mich ansah. »Wie Merrick vermutet hat - in einer unserer ersten Nächte nannte Claudia den Namen, sie nannte beide Namen, den ihres Vaters und ihrer Mutter. Sie sagte sie so, wie man sie gelehrt hatte, sie Fremden gegenüber zu nennen. Agatha war der Name ihrer Mutter.«
    »Ah, ja«, sagte ich. »Merrick wird darüber sehr erfreut sein. Du musst verstehen, die alten Beschwörungen haben eine feste Form: Wenn man einen Geist anruft, schließt man den Namen seiner Mutter mit ein.«
    Während wir zurück zu Merrick gingen, bemerkte Louis: »Schade, dass der Mann nur Bier getrunken hatte. Weißt du, ein klein wenig Feuer im Blut wäre jetzt nicht schlecht. Aber vielleicht ist es besser so. Besser, einen klaren, entschlossenen Kopf für das Kommende zu haben. Ich bin überzeugt, Merrick kann meine Bitte erfüllen.«

19
    Während wir durch den Seitenweg am Haus vorbeigingen, »entdeckte ich schon die brennenden Kerzen, und als wir in den rückwärtigen Hof eintraten, konnte man den großen Altar unter dem Schuppendach sehen, mit seinen Heiligen und Marienbildnissen und wahrhaftig auch den Drei Königen aus dem Morgenland, und die Engel Michael und Gabriel prunkten mit ihren leuchtend weißen Flügeln und farbenfrohen Gewändern. Köstlicher, schwerer Weihrauchduft stieg mir in die Nase. Die Bäume neigten sich tief über den weiten, sauber gefegten Hof aus unebenen purpurfarbenen Steinplatten.
    Ein ganzes Stück von dem Schuppen entfernt, fast schon an der vorderen Ecke des Hofes, stand der alte, eiserne Kessel auf einem dreibeinigen Becken, in dem die Kohlen schon glühten. Und zu beiden Seiten standen lange rechteckige Tische aus Eisen, auf denen verschiedene Gegenstände mit offensichtlicher Sorgfalt ausge breitet waren.
    Das komplexe Gefüge dieses Schauspiels verwunderte mich ein wenig, doch dann sah ich auf der Hintertreppe des Hauses, nur ein paar Meter von den Tischen und dem Kessel entfernt, Merrick stehen, ihr Gesicht hinter der Jademaske verborgen. Mir fuhr ein Schreck durch den ganzen Körper. Die Augenlöcher und die Öffnung für den Mund schienen leer zu sein, nur in der glänzenden grünen Jade fing sich das widerscheinende Licht. Merricks dunkles Haar und ihr Körper waren kaum zu erkennen, ich sah allerdings ihre erhobene Hand, mit der sie uns näher heranwinkte. »Hier«, sagte sie, und ihre Stimme klang hinter der Maske dumpf, »ihr werdet mit mir hier hinter dem Kessel und den Tischen stehen. Du, Louis, rechts von mir, und, David, du links, und ehe wir beginnen, müsst ihr mir versprechen, dass ihr mich auf keinen Fall unterbrecht und auch nicht versucht, euch in das, was ich vorhabe, einzumischen.«
    Sie griff nach meinem Arm und schob mich an den vorgesehenen Platz. Selbst so nahe fand ich die Maske furchteinflößend, sie schien vor Merricks unsichtbarem Gesicht zu schweben, hatte ihr vielleicht sogar die Seele geraubt. Mit unruhigen Händen griff ich danach und versicherte mich, dass die starken Lederbänder sie fest an Ort und Stelle hielten. Louis hatte sich hinter Merrick gestellt und ragte nun über dem eisernen Tisch rechts vom Kessel auf. Von dort blickte er zu dem schimmernden Altar mit den unheimlichen, aber lieblichen Heiligengesichtern, vor dem mehrere Reihen Kerzen in Glasgefäßen aufgebaut waren. Ich nahm meinen Platz auf Merricks linker Seite ein. »Wir sollen dich nicht unterbrechen? Wie meinst du das?«, fragte ich, wenn dieser Frage auch der nötige Respekt mangelte - angesichts dieses sich zu erhabener Schönheit aufschwingenden Schauspiels, mit den Gipsheiligen und den düster emporragenden Eiben, die uns einzukreisen schienen, und den Eichen, deren schwarze, knorrige, niedrige Äste die Sterne vor uns verbargen. »Wie ich es gesagt habe«, antwortete Merrick leise. »Ihr sollt mich nicht aufhalten, was auch geschieht. Ihr bleibt an eurem Platz hinter den Tischen, beide. Ihr dürft euch nicht davor stellen, was ihr auch seht oder zu sehen glaubt.«
    »Ich verstehe«, sagte Louis, und dann: »Du wolltest den Namen wissen. Den Namen von Claudias Mutter. Sie hieß Agatha. Da bin ich mir ganz sicher.«
    »Danke«, erwiderte Merrick. Sie deutete mit dem Finger. »Dort auf den Steinen«, sagte sie, »dort werden die Geister erscheinen, wenn es so bestimmt ist, aber ihr dürft nicht zu ihnen

Weitere Kostenlose Bücher