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Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs

Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs

Titel: Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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putzte sich die Nase. Dann begann sie zu zittern. »Aber Louis wird das niemals akzeptieren.« Sie schüttelte den Kopf. »Diese Lügen kommen seinen eigenen Vorstellungen einfach zu nahe.«
    Ich sagte nichts. Die Worte des Geistes kamen auch meinen Vorstellungen zu nahe.
    Merrick ließ ihren Kopf wieder an meine Brust sinken und legte ihre Arme sacht um mich. Ich hielt sie fest im Arm, während ich den Altar zwischen den beiden Fenstern und die geduldigen Mienen der diversen Heiligen anstarrte.
    Eine ruhevolle, gefährliche Stimmung senkte sich über mich, in der ich deutlich all die langen Jahre meines Lebens vor mir sah. Eine Sache war während meines Lebensweges immer gleich geblieben, ob ich nun der junge Mann in dem Candomble-Tempel in Brasilien war oder der Vampir, der in Lestats Gesellschaft die Straßen von New York unsicher machte. Und diese eine unveränderliche Sache war, dass ich, selbst wenn ich das Gegenteil behaup tete, doch immer den Verdacht hatte, dass jenseits des irdischen Lebens das Nichts wartete.
    Natürlich »glaubte« ich dann und wann freudig etwas anderes. Ich bewies es mir selbst gegenüber mit scheinbaren Wundern Geisterwinde und fließendes Vampirblut. Aber immer, wenn ich eine sachliche Analyse vornahm, fürchtete ich doch, dass es nur das Nichts gab - nichts außer der »grenzenlosen Finsternis«, die dieses Phantom, dieser bösartige, zornige Geist, beschrieben hatte. Ja, ich will damit sagen, dass wir möglicherweise nach dem Tode noch im Diesseits verweilen. Eines Tages liegt es sicherlich im Bereich der wissenschaftlichen Möglichkeiten, zu beweisen, dass wir nach dem Tode eine Weile mit Warten verbringen - dass eine Seele von definierbarer Substanz, vom Körper gelöst in einer Art Energiefeld gefangen ist, das unseren Planeten umgibt. Es liegt nicht außerhalb der Vorstellungskraft, nein, ganz und gar nicht. Aber das bedeutet nicht gleich Unsterblichkeit. Es bedeutet nicht Paradies oder Hölle. Es bedeutet nicht Gerechtigkeit oder Erkenntnis. Nicht Ekstase oder endlose Pein.
    Und was nun die Vampire betrifft - sie sind zwar glanzvolle Erscheinungen des Übernatürlichen, aber man bedenke, wie materialistisch und wie winzig klein dieses Wunder der Übernatürlichkeit ist.
    Man stelle sich vor, einer von uns würde eines Nachts gefangen, vielleicht in einem Behälter aus Weltraumplastik. Dann wird er, vor der Sonne geschützt, sorgfältig auf einem Labortisch festge schnallt, und Tag und Nacht ergießt sich flackerndes Neonlicht über ihn. Da läge es nun, dieses wehrlose Exemplar des Nosferatu, und sein Blut ränne in Injektionsröhrchen und Reagenzgläser, während die Wissenschaftler Langlebigkeit und Unveränderbarkeit der Vampire und unsere Verbindung zu einem zeitlosen Dämon belegten, der uns an sich bindet. Sie würden einen langen lateinischen, wissenschaftlichen Namen dafür finden. Amel, dieser Dämon, dieser Geist aus längst vergangenen Jahrtausenden, von dem die Ältesten von uns behaupten, dass er unsere Körper organisiere und miteinander verbinde - dieser Geist würde eines Tages klassifiziert als eine Kraft, die ganz der vergleichbar ist, die die winzigen Ameisen in ihren ausgedehnten, komplizierten Bauten organisiert oder die erstaunlichen Bienenvölker in ihren wunderbaren und unglaublich intelligent aufgebauten Körben. Wenn ich stürbe, wäre da möglicherweise das Nichts. Wenn ich stürbe, gäbe es vielleicht ein zögerndes Verbleiben. Wenn ich stürbe, erführe ich möglicherweise nicht einmal, was aus meiner Seele wird. Die Lichter ringsum - die Wärme, von der dieses kindliche Phantom so höhnisch gesprochen hatte -, diese Wärme würde einfach vergehen.
    Ich senkte den Kopf und presste die Finger meiner linken Hand fest gegen meine Schläfe, und mit dem rechten Arm umfing ich Merrick fester, Merrick, die mir so kostbar und so zerbrechlich erschien. Meine Gedanken huschten zurück zu der finsteren Beschwörung, zu dem leuchtenden Phantom eines Kindes, das mitten in dieser Beschwörung auftauchte. Sie huschten zurück zu dem Augenblick, als es den Arm hob, als Merrick aufschrie und zurückgestoßen wurde. Sie huschten zurück zu dem Kind, dessen Lippen und Augen so wundersam deutlich ausgeformt waren, zu der leisen, melodischen Stimme, die aus ihm hervordrang. Zurück zu der scheinbar so stichhaltigen Vision an sich.
    Natürlich hätte es so sein können, dass Louis’ Verzweiflung die Quelle ihres Elends nährte. Es hätte genauso gut auch meine

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