Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs

Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs

Titel: Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
Vom Netzwerk:
dass sie log. Was ich spürte, war, dass sie Geheimnisse hatte, und die vermochte ich nicht zu ergründen. Sie hatte ihre Gedanken zu gut abgeschottet.
    »Du spielst ein Spiel«, sagte ich. »Was willst du wirklich?«
    »Nein, David, so darfst du mit ihr nicht sprechen«, wehrte Louis ab. »Ich werde das nicht hinnehmen. Geh jetzt, lass mich mit ihr reden. Sie ist bei mir sicher, sicherer, als es Claudia je war oder auch die anderen Sterblichen, an die ich je Hand legte. Geh jetzt, David. Lass mich mit ihr allein. Ansonsten, das schwöre ich dir, gibt es einen Kampf zwischen uns beiden.«
    »David, bitte«, mischte sich Merrick ein. »Gönne mir die paar Stunden mit ihm, danach soll es nach deinen Wünschen gehen. Ich will ihn bei mir haben. Ich will mit ihm reden. Ich will ihm erklären, dass der Geist gelogen hat. Das geht nicht so schnell, ich brauche eine intime, vertrauliche Atmosphäre.«
    Sie trat auf mich zu, die rote Seide raschelte bei jedem Schritt. Ihr Parfüm umwehte mich. Sie legte die Arme um mich, und ich spürte die Wärme ihrer nackten Brüste durch den dünnen Stoff. »Geh jetzt, David, bitte«, sagte sie. Ihre Stimme war von Zärtlichkeit erfüllt und ihr Gesicht von Mitgefühl, als sie mir in die Augen sah. In all den Jahren, die ich sie gekannt, die ich nach ihr verlangt, in denen sie mir gefehlt hatte, war nichts so schmerzhaft gewesen wie diese schlichte Bitte.
    »Gehen«, wiederholte ich mit dünner Summe. »Ich soll euch beide zusammen hier zurücklassen und gehen?«
    Ich sah Merrick lange in die Augen. Wie sehr sie zu leiden schien, wie inständig sie zu bitten schien! Und dann wandte ich mich an Louis, der mich mit einem unschuldsvollen, ängstlichen Ausdruck ansah, als läge sein Schicksal in meiner Hand. »Wenn du ihr etwas antust«, sagte ich, »dann schwöre ich dir, dass dir der ersehnte Tod gewährt wird.« Meine Stimme war leise und bösartig. »Ich sage dir, ich bin stark genug, um dich zu vernichten, und zwar auf genau die Art und Weise, die du am meisten fürchtest.«
    Seine Züge spiegelten unendliche Bestürzung. »Tod durch Feuer«, sagte ich, »und zwar ein langsamer Tod, wenn du ihr etwas antust.« Ich hielt inne. Dann fügte ich noch hinzu: »Ich gebe dir mein Wort darauf.«
    Ich sah, dass Louis schwer schluckte. Schließlich nickte er. Er schien mir eine Menge sagen zu wollen, und seine traurigen Augen sprachen beredt von einem riefen Schmerz. Doch er murmelte nur als Antwort:
    »Vertrau mir, mein Bruder. Du brauchst jemandem, den du schätzt, nicht solch schreckliche Drohungen an den Kopf zu werfen, und ich muss sie mir nicht anhören - nicht, wenn wir beide diese Sterbliche so sehr lieben.«
    Ich wandte mich Merrick zu. Sie hatte die Augen auf Louis geheftet. In diesem Moment war sie mir so fern wie nie. Ich küsste sie zärtlich. Sie sah mich kaum an, und als sie die Küsse erwiderte, war es, als müsse sie sich dazu zwingen, so sehr war sie Louis verfallen. »Auf Wiedersehen vorerst, mein Schatz«, flüsterte ich und verließ das Haus.
    Für eine Sekunde dachte ich daran, zu bleiben und mich draußen im Gebüsch zu verbergen, um sie heimlich zu beobachten, während sie miteinander sprachen. Eigentlich schien es mir nur klug, hier zu bleiben - zu Merricks Schutz. Aber eben das würde sie auch ganz und gar ablehnen.
    Sie würde meine Anwesenheit ganz sicher spüren, besser, als Louis dazu imstande war - würde es genauso merken wie in jener Nacht in Oak Haven, als ich an ihr Fenster gekommen war. Mit dem Spürsinn der Hexe würde sie es merken, der stärker ausgeprägt war als Louis’ vampirische Kräfte, sie würde es wissen und mich wegen meines Vorhabens gründlich verdammen. Als ich mir vorstellte, wie sie aus dem Haus kommen und mich beschuldigen würde, als ich an die Demütigung dachte, die ich damit riskierte, ließ ich das Haus hinter mir zurück und ging schnell und allein in Richtung Stadtrand. Wieder einmal war Lestat in der verlassenen Kapelle des Waisenhauses mein Vertrauter. Und auch diesmal war ich mir sicher, dass sein Körper unbeseelt war. Er schenkte meinen Klagen kein Gehör.
    Ich betete nur, dass Merrick keinen Schaden erleiden würde, dass Louis kein Verlangen danach hatte, meine Wut zu kosten, und dass Lestats Seele bald wieder in ihren Körper zurückkehren würde, denn ich brauchte ihn, brauchte ihn dringend. Trotz meiner Jahre und all meiner erlangten Weisheiten fühlte ich mich allein. Der Himmel wurde schon gefährlich hell, als ich Lestat

Weitere Kostenlose Bücher