Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs
einer so unglückseligen Heimsuchung entsprechend zur Tat zu schreiten, obwohl sie sich über das Benehmen dieses vampirischen Pöbels empörten.
Und was Lestats Mutter, Gabrielle, anging, eine der eisigsten und faszinierendsten Wesen, die mir je begegneten, so interessierte es sie nicht im Mindesten, solange keiner ihren Sohn anrührte. Nun, das war sowieso ganz unmöglich. Er ist unverwundbar, soweit wir alle wissen. Oder, um offen zu sein, sagen wir mal, dass Lestat sich durch seine eigenen Abenteuer Schlimmeres angetan hat, als ihm ein Vampir je anzutun vermochte. Sein Ausflug mit Memnoch durch Himmel und Hölle, sei er nun eine Täuschung oder eine Reise ins Übersinnliche gewesen, hat ihn in eine so tiefe geistige Lähmung versetzt, dass er seine grotesken Spielchen erst einmal nicht wieder aufnehmen und nicht so bald wie der in seine Rolle des von uns allen angebeteten prinzlichen Flegels verfallen wird.
Als jedoch diese bösartigen, widerwärtigen Bluttrinker sogar die Türen des Konvents stürmten und die eisernen Stiegen unseres Stadthauses in der Rue Royale erklommen, da gelang es Armand, Lestat aufzurütteln und zum Handeln anzustacheln. Lestat, der inzwischen immerhin einmal erwacht war, um dem Klavierspiel eines neuen Vampirzöglings zu lauschen, gab sich die Schuld an dieser Invasion. Schließlich hatte er den »Orden der Redseligen« (wie man uns inzwischen nannte) ins Leben gerufen. Und deshalb, so erläuterte er uns mit gedämpfter Stimme, werde er die Dinge in Ordnung bringen, wenn er auch für einen Kampf nur wenig oder gar keinen Enthusiasmus aufbrachte. Armand - der in der Vergangenheit Ordenshäusern sowohl vorgestanden als auch sie vernichtet hatte - half Lestat bei dem Massaker an den unerwünschten, verbrecherischen Vampiren, ehe es zu einem fatalen Riss im sozialen Gefüge der Stadt kam. Da er über das, was die ändern die Feuergabe nannten, verfügt das ist die Fähigkeit, durch Telekinese Flammen entfachen zu können -, vernichtete Lestat auf diese Weise die Vampire, die so dreist in seinen persönlichen Unterschlupf eingedrungen waren oder die Privatsphäre der ganz zurückgezogen Lebenden, wie Marius und Pandora, Santino, Louis und ich, gestört hatten. Armand zerstückelte die, die von seiner Hand starben, und ließ sie verschwinden. Die paar übernatürlichen Wesen, die dem Tod entgingen, flohen aus der Stadt. Besonders Armand machte sehr viele nieder; denn er kannte absolut keine Gnade gegenüber dem vampirischen Abschaum, den gefühllosen Egoisten oder den bewusst Grausamen.
Als es danach allen und jedem klar wurde, dass Lestat wieder in seinen Halbschlaf verfallen war, völlig hingegeben an die klassische Musik, die Louis und ich für ihn in Form der besten CD-Einspielungen besorgten, gingen die Alten - Marius, Pandora, Santino und Armand - nach und nach ihrer Wege.
Diese Trennung war unvermeidlich, denn keiner von uns kann die Gesellschaft so vieler Bluttrinker für längere Zeit ertragen. Wie bei Gott und dem Teufel, so gilt auch unser hauptsächliches Interesse der Menschheit. Und daher kommt es, dass wir unsere Zeit vorzugsweise in der vielschichtigen, komplizierten Welt der Sterblichen verbringen.
Natürlich werden wir uns auch in Zukunft immer mal wieder zusammenfinden. Wir wissen ganz gut, wie wir einander erreichen können. Und wir sind uns nicht zu fein, um Briefe zu schreiben oder andere Kommunikationsmöglichkeiten zu nutzen. Die ganz Alten wissen durch Telepathie, wenn bei den Jüngeren irgendetwas schrecklich schief gegangen ist, und umgekehrt. Aber im Moment jagen nur Louis, Lestat und ich in den Straßen von New Orleans, und das wir auch noch einige Zeit so bleiben. Das heißt, genau genommen jagen Louis und ich, denn Lestat trinkt überhaupt nicht. Da er einen Körper wie ein Gott hat, hat die Lust nach Blut, die selbst die Mächtigsten von uns plagt, für ihn nur noch untergeordnete Bedeutung; und so liegt er in seiner Erstarrung, während die Musik unaufhörlich spielt. Und so ist New Orleans in seiner schläfrigen Schönheit nur der Gastgeber für zwei Untote. Trotzdem müssen wir sehr geschickt vorgehen. Wir müssen unsere Taten verbergen. Zwar haben wir geschworen, uns nur von den Übeltätern - wie Marius immer zu sagen pflegt - zu nähren; und doch ist der Durst nach Blut etwas Schreckliches.
Ehe ich jedoch zu meiner Erzählung zurückkehre - wie Louis und ich an diesem speziellen Abend ausgingen -, erlauben Sie mir ein paar Worte über Lestat.
Ich
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