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Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs

Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs

Titel: Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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gekannt, hatte ihre hellsichtigen Worte vernommen, und ich war erschüttert. Ich konnte mir ihre Fähigkeiten nicht erklären, es sei denn damit, dass zu viele meiner Erfahrungen in der Talamasca akademischer Natur gewesen waren und ich, mit echter Magie konfrontiert, genauso leicht zu verunsichern war wie jeder andere auch. Wir warteten eine Dreiviertelstunde in der Nähe des Schlafzimmers. Wie es schien, wollten nun die Nachbarn herein. Zuerst war Merrick dagegen, sie lehnte Halt suchend an Aaron und sagte weinend, dass sie nun Cold Sandra niemals finden würde und dass Cold Sandra hätte heimkommen müssen. Für uns alle war der sichtliche Jammer des Kindes ganz schrecklich anzusehen, und der Priester ging immer wieder zu ihr und küsste und tätschelte sie.
    Schließlich kamen zwei junge farbige Frauen, beide sehr hübsch und beide offensichtlich afrikanischer Abstammung, um die Tote auf dem Bett herzurichten. Eine der Frauen nahm sich Merricks an und sagte ihr, dass sie ihrer Patentante die Augen schließen möge. Ich staunte diese Frauen an. Nicht nur wegen ihrer wunderbaren Haut und ihrer hellen Augen. Auch wegen ihres altmo dischen, sehr förmlichen Benehmens und ihrer Kleidung - sie trugen feine Seidenkostüme und Schmuck, als machten sie einen Nachmittagsbesuch. Die Wichtigkeit, die diese kleine Zeremonie für sie hatte, verwunderte mich ebenfalls.
    Merrick ging zum Bett, und mit zwei Fingern ihrer rechten Hand schloss sie pflichtschuldig die Augen der alten Frau. Aaron gesellte sich draußen in der Diele zu mir.
    Merrick kam und fragte Aaron unter Schluchzen, ob er warten würde, während die Frauen die Große Nananne wuschen und das Bett frisch bezogen, und Aaron versicherte ihr natürlich, dass wir ihren Wünschen folgen würden.
    Wir gingen in einen Salon auf der anderen Seite der Diele, der für offizielle Anlässe vorbehalten war. Die stolzen Worte der alten Frau kamen mir wieder in den Sinn. Dieser Salon war durch einen bogenförmigen Durchbruch mit dem Esszimmer verbunden, und die beiden Zimmer waren mit schönen, kostspieligen Dingen eingerichtet. Große Spiegel hingen über den Kaminen, die wiederum mit wuchtigen Simsen aus weißem Marmor versehen waren. Die Möbel aus schwerem Mahagoniholz würden bei einem Verkauf sicher einen guten Preis erzielen. Nachgedunkelte Heiligengemälde hingen hier und dort. In der großen Vitrine stand altes, hauchdünnes Porzellan, und es gab einige große Lampen mit trüben Glühbirnen unter verstaubten Schirmen.
    Das alles wäre recht gemütlich gewesen, doch es war erstickend heiß hier, und obwohl einige Fensterscheiben zerbrochen waren, schien nur die Feuchtigkeit in die staubige Dämmerung vorzudringen, in der wir uns niederließen.
    Sofort kam eine junge, hübsche Frau herein, mit ebenso exotischem Teint wie die anderen und ebenso formell gekleidet, um die Spiegel zu verhängen. Sie brachte mehrere gefaltete Bahnen schwarzen Stoffes und eine kleine Trittleiter mit. Aaron und ich halfen ihr, so gut wir konnten.
    Anschließend klappte sie den Deckel über die Tasten eines alten Klaviers, das ich bis dahin nicht einmal bemerkt hatte. Dann ging sie zu einer großen Standuhr in der Zimmerecke, öffnete das Glas und hielt die Zeiger an. Ich hörte das Ticken erst, als die Uhr endgültig verstummte.
    Vor dem Haus sammelte sich eine Anzahl Leute ganz unterschiedlicher Hautfarbe, es gab alle Schattierungen zwischen Schwarz und Weiß.
    Endlich wurden die Trauergäste in einer langen Prozession eingelassen, und Aaron und ich zogen uns währenddessen auf den Gehweg zurück, da wir sahen, dass Merrick, die nun am Kopf des Bettes Aufstellung genommen hatte, bei weitem nicht mehr so erschüttert war, sondern nur noch schrecklich traurig. Die Leute gingen in das Schlafzimmer, traten ans Fußende des Bettes und verließen dann das Haus durch die Hintertür. Neben dem Haus befand sich ein kleines Gartentor, dort kamen sie wieder auf die Straße hinaus.
    Ich erinnere mich daran, wie sehr mich der Ernst und das Schweigen der Leute beeindruckten und wie erstaunt ich war, als nach und nach Wagen vorfuhren und elegant gekleidete Besucher - auch wieder unterschiedlichster Hautfarbe - die Stufen erklommen.
    Langsam wurden meine Kleider in der schweren Hitze unangenehm schlaff und klebrig; mehrfach ging ich ins Haus, um mich zu vergewissern, dass mit Merrick alles in Ordnung war. Im Schlafraum, im Salon und im Esszimmer waren die in den Fenstern eingefügten Klimageräte eingeschaltet

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