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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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doch ab und ließ sie nicht aus meinem Griff. Mit einem Arm hielt ich sie umklammert, während ich die Türen eine nach der andern öffnete; und selbst wenn ich strauchelte, stieß ich noch ihren Hitzestrahl zurück.
    Immer weiter zerrte ich sie auf den Schrein zu, nichts konnte mich aufhalten, allerdings war es mir auch nicht möglich, meine ganze Kraft gegen sie einzusetzen.
    Nein, dieses Privileg blieb einer vorenthalten, die erhabener und mächtiger war als ich.
    Endlich hatten wir die Kapelle erreicht, und ich schleuderte Eudoxia zu Boden. Während ich mich unter Aufbietung meiner ganzen Kraft von ihr abschottete, richtete ich die Augen auf Die Mutter und Den Vater, wo ich jedoch das gleiche regungslose Bild wie je erblickte. Und da ich sonst kein Zeichen erhielt, hob ich Eudoxia unter Abwehr eines weiteren vernichtenden Hitzeschwalls vom Boden hoch, ehe sie aus eigener Kraft auf die Füße kommen konnte. Ich hielt ihre Arme hinter ihrem Rücken gefangen und bot sie so der Königin dar, schob sie so nah an sie heran, wie ich es nur wagte, ohne an deren Kleider zu rühren, was ich auf Grund dessen, was ich zu tun im Begriff war, als Sakrileg empfunden hätte. Der rechte Arm Der Mutter streckte sich nach Eudoxia aus, es war, als löse er sich ohne Akashas Zutun aus ihrer Aura der Gelassenheit, und abermals machte Akasha diese unmerkliche, subtile und völlig groteske Kopfbewegung, ihre Lippen öffneten sich und entblößten die Fangzähne. Eudoxia schrie, als ich sie losließ und zurücktrat. Ich stieß einen tiefen, verzweifelten Seufzer aus. Ah, so sei es denn!
    Und ich beobachtete mit stummem Grausen, wie Eudoxia zum Opfer der Mutter wurde, wie sie hilflos mit den Armen schlug und mit den Knien nach der Mutter stieß, bis endlich ihr schlaffer Körper aus der Umarmung entlassen wurde und auf den Marmorboden niederglitt, wo er wie eine kostbare Puppe aus weißem Wachs liegen blieb. Kein hörbarer Atem entströmte ihm. Die runden, dunklen Augen starrten still.
    Aber sie war nicht tot, auf keinen Fall. Es war der Körper eines Bluttrinkers, mit der Seele eines Bluttrinkers. Nur Feuer konnte ihn vernichten. Ich wartete ab, meine eigene Kraft fest unter Kontrolle. Vor langer Zeit in Antiochia, als unerwünschte Vampire Die Mutter angegriffen hatten, hatte sie deren Überreste verbrannt, indem sie mit ihrer Gabe des Feuers eine Lampe emporgehoben und das brennende Öl vergossen hatte. Und genauso war sie damals in Ägypten mit den sterblichen Resten des Ältesten verfahren, was ich ja schon beschrieb. Würde sie das auch jetzt tun? Es war viel einfacher. Jäh schossen Flammen aus Eudoxias Brust empor, dann raste das Feuer durch alle ihre Adern. Ihr Gesicht behielt den lieblichen, fühllosen Ausdruck, die Augen blickten leer. Ihre Glieder zuckten.
    Nicht ich hatte mit meiner Gabe des Feuers diese Exekution bewirkt. Es war Akashas Kraft. Was sonst? Eine neue Fähigkeit, die lange Jahrhunderte in ihr geschlummert hatte und ihr jetzt erst – durch Eudoxia und mich – bewusst wurde? Ich wagte keine Vermutung. Ich wagte keine Frage. Auf der Stelle entzündeten die Flammen, die aus dem hochexplosiven Blut des übernatürlichen Körpers aufschossen, die schweren, verzierten Gewänder Eudoxias, und die ganze Gestalt loderte hell auf.
    Erst nach langer Zeit erstarb das Feuer, und nur ein glitzerndes Aschehäufchen blieb zurück. Eudoxia, das gescheite, gelehrte Geschöpf, war nicht mehr. Das brillante, charmante Wesen, das so lange und so gut gelebt hatte, war dahin. Sie, die solche Hoffnungen in mir geweckt hatte, als ich sie das erste Mal sah und ihre Stimme hörte, sie war Vergangenheit.
    Ich nahm meinen Umhang ab, und auf den Knien kauernd wie eine arme Scheuerfrau wischte ich den verunreinigten Schrein sauber. Dann hockte ich mich erschöpft in eine Ecke und lehnte den Kopf an die Wand. Und zu meinem eigenen Erstaunen, und – wer weiß? – vielleicht auch zum Erstaunen Der Mutter und Des Vaters, gab ich mich einem Tränenstrom hin. Ich weinte um Eudoxia, ich konnte gar nicht aufhören, und ich weinte um mich selbst, dass ich diese jungen Bluttrinker grausam hatte in Flammen aufgehen lassen, diese törichten, ungebildeten, ungelehrten Unsterblichen, die der Finsternis angetraut worden waren – wie wir heute sagen –, nur um wie Bauern auf dem Schachbrett in diesem Kampf zu enden.
    Ich spürte eine Grausamkeit in mir, die ich nur verabscheuen konnte.
    Endlich, tief befriedigt, weil mein unterirdisches Gewölbe

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