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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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dunklem, in der Mitte gescheiteltem Haar, das ihr weit über die Schultern herabfiel, und in ebenso feine Gewänder gekleidet wie Eudoxia. Ihr Gesicht war rein und makellos, ihr Mund rot, und ihre blitzenden Augen blickten besorgt. Noch hatte sie den rosigen Schmelz des menschlichen Gewebes nicht verloren, und der schmerzliche Ernst ihres Ausdrucks verlieh ihren Zügen und der kraftvollen Linie ihrer vollen Lippen eine gewisse Schärfe. Bestimmt hatte ich schon irgendwo jemanden gesehen, der schöner war als dieses Kind, aber wenn, dann konnte ich mich jetzt nicht daran erinnern. In der Tat staunte ich so demütig über diese Schönheit, dass ich mir wie ein Narr vorkam. Trotzdem wusste ich sofort, dass dieses Vampirmädchen Eudoxias Liebste gewesen war, dass Eudoxia sie erwählt hatte, weil sie so unvergleichlich reizend war und außerdem wohlerzogen und klug, und dass Eudoxia sie irgendwo verborgen hatte, bevor sie uns zu sich bestellte.
    Diesem jungen Geschöpf, das zutiefst geliebt worden war, gehörte also der zweite Sarkophag in dieser Kammer.
    Ja, das war alles nur zu offensichtlich, und ich sagte nichts. Ich schaute nur dieses strahlende Kind an, das unter der lodernden Fackel an der Tür des Gewölbes stand und ihre gequälten Augen auf mich geheftet hatte.
    Schließlich sprach sie in einem unterdrückten Flüstern: »Du hast sie getötet, nicht wahr?« Sie hatte keine Angst, entweder auf Grund ihrer Jugend oder einfach, weil sie bemerkenswert tapfer war. »Du hast sie vernichtet. Sie ist dahin.« Ich erhob mich, als hätte eine Königin den Befehl dazu gegeben. Ihre Augen musterten mich abschätzend. Und dann nahm ihr Gesicht einen zutiefst betrübten Ausdruck an. Es schien, als werde sie zu Boden sinken. Ich konnte sie eben noch auffangen und trug sie dann langsam die Marmorstufen hinauf. Sie ließ den Kopf gegen meine Brust sinken und seufzte tief.
    Ich brachte sie in das überreich ausgeschmückte Schlafgemach des Hauses und legte sie auf das breite Bett. Sie wollte jedoch nicht auf den Kissen liegen bleiben, sondern richtete sich auf, und ich setzte mich neben sie.
    Ich erwartete, dass sie mir Fragen stellte, gewalttätig würde, mir ihren Hass entgegenschleuderte, trotz ihrer mangelnden Kraft. Sie konnte vor höchstens zehn Jahren zum Vampir geworden sein, und wenn sie da schon vierzehn war, hätte mich das ziemlich überrascht.
    »Wo hattest du dich versteckt?«, fragte ich. »In einem alten Haus«, antwortete sie leise, »ein verlassenes Haus. Sie bestand darauf, dass ich dort bliebe. Sie sagte, sie würde später nach mir schicken.«
    »Wann?«, fragte ich.
    »Wenn sie mit dir fertig wäre, wenn sie dich vernichtet oder vertrieben hätte.« Sie sah zu mir auf.
    Sie war eine Kindfrau, allerdings von exquisiter Schönheit. Zu gern hätte ich ihre Wangen geküsst, doch sie grämte sich schrecklich.
    »Eudoxia meinte, es würde eine Schlacht geben und dass du mit zu den Stärksten gehörst, die je hier aufgetaucht sind«, sagte sie. »Bei den anderen war es immer einfach. Aber bei dir war sie sich des Ausgangs nicht sicher, und deshalb musste sie mich verstecken.«
    Ich nickte. Ich wagte nicht, sie zu berühren. Ich fühlte nur das Verlangen, sie zu beschützen, sie in die Arme zu schließen und ihr zu sagen, dass sie ruhig meine Brust mit den Fäusten traktieren und mich verfluchen könne, wenn ihr danach zumute wäre, und auch wenn sie weinen wollte, sollte sie es einfach tun.
    »Warum sagst du nichts?«, fragte sie; in ihren Augen spiegelten sich Schmerz und Verwunderung. »Warum bist du so still?« Ich schüttelte den Kopf.
    »Was kann ich sagen? Es war eine grässliche Auseinandersetzung. Ich wollte das nicht. Ich hoffte, dass wir hier in Frieden miteinander leben könnten.« Darüber lächelte sie.
    »Dazu hätte sie es nie kommen lassen«, sagte sie schnell. »Wenn du wüsstest, wie viele sie schon vernichtet hatte… aber andererseits – ich weiß es nicht.« Das war ein kleiner Trost für mein Gewissen, aber ich ging nicht darauf ein. Ich ließ es dahingestellt sein.
    »Sie sagte, die Stadt gehöre ihr, und damit es so bliebe, müsse man die Kraft einer Kaiserin haben. Sie hat mich aus dem Palast geholt, wo ich eine Sklavin war. Eines Nachts brachte sie mich hierher, und ich fürchtete mich sehr. Aber dann begann ich, sie zu lieben, und dessen war sie sich von vornherein ganz sicher gewesen. Welche Geschichten sie von ihren Reisen erzählte! Sie pflegte mich zu verstecken, wenn andere Vampire

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