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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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hier getan – auf dein Gebet hin.«
    »Sag mir, Eudoxia, was hat dich dazu gebracht, dich ihr darzubieten? Warum hast du diese Worte gesagt? Hast du das in Ägypten schon einmal getan?«
    »Nie«, sagte sie aufgebracht. »Ich hatte vergessen, wie schön sie ist.« Sie wirkte verwirrt, geschwächt. »Ich hatte die Zeitlosigkeit vergessen, das Schweigen, das sie umhüllt – wie unzählige Schleier…«
    Sie wandte sich mir zu und betrachtete mich matt. Sie schaute umher. Ich spürte ihren Hunger, ihre Schwäche.
    »Ja!« Sie seufzte. »Schick meine Sklaven her. Sie sollen losziehen und mir ein Opfer besorgen. Ich bin zu schwach, um selbst zu gehen, schließlich war vorhin ich das Opfer.« Ich ging hinaus in den bepflanzten Innenhof und sagte ihrem Tross entzückender Bluttrinker, dass sie zu ihr gehen sollten. Ihren widerwärtigen Befehl sollte sie ihnen selbst geben. Als sie zu ihrer trostlosen Aufgabe aufgebrochen waren, kehrte ich zu Eudoxia zurück. Sie saß jetzt aufrecht, ihr Gesicht war immer noch gezeichnet, und ihre weißen Hände zitterten.
    »Ich hätte sterben sollen«, sagte sie. »Vielleicht sollte es so sein.«
    »Was heißt ›sollte‹?«, fragte ich verächtlich. »Folgendes soll so sein: dass wir beide hier in Konstantinopel leben, du in deinem Haus mit deinen jungen Gefährten und ich hier mit meinen. Und von Zeit zu Zeit besuchen wir uns gegenseitig, auf ganz freundschaftlicher Basis. Das soll sein, behaupte ich.«
    Sie sah mich nachdenklich an, als müsse sie erst überlegen, soweit sie nach dem, was ihr widerfahren war, überhaupt überlegen konnte.
    »Vertrau mir«, flüsterte ich verzweifelt. »Vertrau mir zumindest eine kurze Zeit. Und wenn wir uns dann trennen sollten, lass es in Freundschaft sein.«
    Sie lächelte: »Wie die alten Griechen?«
    »Müssen wir denn unsere Erziehung vergessen?«, fragte ich. »Immerhin wurden wir von Glanz und Größe genährt, wie die Künste, die uns immer noch umgeben, die Dichtung, die uns immer noch Trost spendet, und die anrührenden Geschichten von Heldentum, die uns von der grausam verrinnenden Zeit ablenken.«
    »Unsere Erziehung«, wiederholte sie grübelnd. »Du bist schon merkwürdig!«
    War sie mein Feind oder mein Freund? Ich wusste es nicht. Nur zu schnell erschienen ihre Sklaven wieder mit einem reichen Kaufmann als Opfer, der uns, jammervoll und schreckensbleich, mit hervorquellenden Augen anglotzte. Unumwunden bot er uns Geld für sein Leben. Ich hätte diese Ungeheuerlichkeit gern unterbunden. Wann hatte ich je ein Opfer unter meinem Dach getötet? Und nun sollte das jemandem in meinem Hause geschehen, der mich um Gnade anging!
    Aber innerhalb von Sekunden war der Mann auf die Knie gezwungen, und Eudoxia ergab sich ihrem Blutdurst ohne Rücksicht darauf, dass ich dabeistand und dieses Spektakel mit ansah. Ich drehte mich auf dem Absatz um, verließ die Bibliothek und blieb draußen, bis der Mann tot war und sie die kostbar gewandete Leiche weggeschafft hatten.
    Erschöpft, entsetzt und durcheinander kam ich schließlich zurück. Nun, da sie sich an dem armen Kerl gütlich getan hatte, ging es Eudoxia viel besser, und sie sah mich durchdringend an. Ich setzte mich, denn ich sah keinen Grund mehr, wegen dieser Sache in Missbilligung erstarrt herumzustehen. Ich versank in Gedanken.
    »Werden wir uns die Stadt teilen?«, fragte ich ruhig und sah sie an. »In Frieden?«
    »Ich weiß noch nicht«, sagte sie. Ihre Stimme klang falsch, ihre Augen blickten falsch, ihr ganzes Gehabe war falsch.
    »Ich möchte jetzt gehen. Wir werden uns später unterhalten.« Sie sammelte ihren Anhang um sich, und auf meine Bitte hin verließen sie das Haus leise durch die Hintertür. Ich saß sehr still, niedergedrückt von allem, was geschehen war, und fragte mich, ob man an Akasha, die sich bewegt hatte, um Eudoxias Blut zu trinken, eine Veränderung wahrnehmen könnte. Natürlich nicht. Ich erinnerte mich an meine ersten Jahre mit Akasha, als ich mir noch so sicher gewesen war, sie zum Leben erwecken zu können. Und nun hatte sie sich bewegt, ja, sie hatte sich bewegt, aber wie gespenstisch war der Ausdruck ihres glatten, unschuldsvollen Gesichts gewesen, leerer als das Gesicht eines Gestorbenen.
    Mich überkam eine grässliche Vorahnung, die mir Eudoxias subtile Kraft gleichermaßen als Zauber wie Fluch zu zeigen schien. Und mittendrin spürte ich eine schreckliche Verlockung, kam mir ein grauenhafter, aufrührerischer Gedanke. Warum hatte ich Die Mutter und Den

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