Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold
herausgefunden, wo ich bin? Ich habe hier bisher nicht einmal ein Flüstern von einem unserer Art gehört.«
»Ich bin hier«, entgegnete er scharf, »und mich hast du auch nicht gehört, nicht wahr? Du bist nicht unfehlbar, Marius. Du lässt dich durch die Angelegenheiten der Sterblichen ablenken. Vielleicht lauschst du nicht mehr so gründlich, wie du solltest?«
»Ja, da hast du Recht. Aber trotzdem frage ich mich, wie er es wissen konnte.«
»Sterbliche verkehren in deinem Haus. Sie sprechen über dich. Wahrscheinlich reisen auch welche nach Rom. Führen nicht alle Wege nach Rom?« Natürlich spottete er, aber irgendwie milde, fast freundschaftlich. »Marius, er will dein Geheimnis herausfinden, dieser römische Bluttrinker. Wie er bettelte, dass ich ihm das Geheimnis Jener, die bewahrt werden müssen erkläre.«
» Und du hast es nicht verraten, Mael, oder?«, wollte ich wissen. In mir stieg schon wieder wilder Hass auf ihn hoch, wie in längst vergangenen Nächten.
»Nein, ich habe es nicht verraten«, sagte er ruhig, »aber ausgelacht habe ich ihn, und ich habe es nicht abgeleugnet. Das war vielleicht nicht richtig, aber je älter ich werde, desto schwerer fällt mir das Lügen, egal, weswegen.«
»Das kann ich verstehen«, sagte ich.
»Wirklich? Mit all diesen schönen sterblichen Kindern, die dich umschwirren? Du musst mit jedem Atemzug lügen, Marius. Und deine Gemälde! Wie stellst du sie vor Sterblichen zur Schau, die nur eine kurze Lebensspanne haben, um mit dir in Wettstreit zu treten! Das scheint mir eine schreckliche Lüge, wenn du mich fragst.« Ich seufzte.
Er öffnete sein Wams und zog es aus.
»Ich frage mich, warum ich deine Gastfreundschaft annehme«, sagte er. »Ich weiß es wirklich nicht. Da du dir in der Welt der Sterblichen so viele Genüsse verschafft hast, habe ich vielleicht ja das Gefühl, dass du einem Bluttrinker etwas Hilfe schuldest, der wie schon immer verloren durch die Zeit irrt, manchmal voller Staunen Land um Land durchstreift und der manchmal auch nur Staub in die Augen bekommt.«
»Führ deine Selbstgespräche, wie du lustig bist«, sagte ich, »Kleider und Unterschlupf seien dir gegönnt. Aber sag mir kurz: Was ist mit Avicus und Zenobia? Sind sie mit dir zusammen? Weißt du, wo sie sind?«
»Ich habe keine Ahnung«, antwortete er, »und du musst das gespürt haben, schon vor deiner Frage. Ich habe sie so lange nicht gesehen, dass ich jetzt nicht einmal die Jahre oder Jahrhunderte schätzen kann. Avicus hat Zenobia zur Flucht angestiftet, und dann waren sie auch schon zusammen fort. Sie haben mich in Konstantinopel zurückgelassen, und ehrlich gesagt kam das nicht sehr überraschend für mich. Zwischen uns hatte schon lange vorher eine scheußliche Kälte geherrscht. Avicus liebte Zenobia, sie liebte ihn – und mehr als mich. Und was bedurfte es da noch?«
»Tut mir Leid, das zu hören.«
»Warum sollte es?«, fragte er. »Du hast uns drei damals verlassen. Und du hast sie uns an den Hals gehängt, das war eigentlich das Schlimmste. So lange Jahre waren wir zu zweit gewesen, und dann zwangst du uns Zenobia als Gefährtin auf.«
»Zur Hölle, hör auf, mir für alles die Schuld zu geben«, mahnte ich ihn leise. »Wirst du denn nie mit deinen Beschuldigungen aufhören? Bin ich die Ursache jeden Übels, das dich je befiel, Mael? Was muss ich tun, um deine Absolution zu erlangen und dich endlich zum Schweigen zu bringen? Du, Mael, du warst es, der mich gewaltsam meinem sterblichen Leben entriss und mich, gefesselt und hilflos, in euren verfluchten Druidenhain brachte!« Mein Zorn quoll aus mir heraus, sodass ich kämpfen musste, meine Stimme gedämpft zu halten. Er schien ganz verblüfft.
»Und darum verachtest du mich, Marius«, sagte er mit einem Lächeln. »Ich hatte gedacht, für so schlichte Gefühle seist du viel zu klug. Ja, ich nahm dich gefangen, und du stahlst uns die Geheimnisse, und ich bin seitdem verflucht, so oder so.« Ich musste mich zurücknehmen. Ich blieb stumm stehen, bis mein Ärger verraucht war. Zur Hölle mit der Wahrheit. Aus irgendeinem Grund brachte das Maels freundliche Seite zu Tage. Während er sich seiner Lumpen entledigte und sie zur Seite stieß, erzählte er von Avicus und Zenobia.
»Die beiden schlichen sich immer wieder in den Kaiserpalast, wo sie im Verborgenen jagten«, sagte er. »Du hattest Zenobia gelehrt, als Knabe zu gehen, das tat sie aber nur ganz selten. Zu sehr liebte sie prächtige Kleidung. Du hättest ihre Roben
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