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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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wollte das nicht korrigieren. Er wirkte auf mich nicht nur barbarisch, sondern sogar komisch. Aber alle anderen würden ihn für einen eindrucksvollen Mann halten, das war mir klar.
    Ich hasste ihn, aber nicht aus ganzer Seele. Und als ich mit ihm da stand, hätte ich beinahe geweint. Schnell sagte ich etwas, um dieses Gefühl zu verdrängen.
    »Hast du in all den Jahren etwas gelernt?«, fragte ich ihn.
    »Was für eine überhebliche Frage«, sagte er. »Hast du etwas gelernt?«
    Ich erklärte ihm meine Theorien – wie das westliche Europa aufs Neue aufgeblüht war und sich auf die klassische Bildung besann, die Rom schon von den Griechen übernommen hatte. Ich erklärte, wie die Kunst der Antike nun in ganz Italien eine Auferstehung feierte, und ich erzählte von den wunderbaren Städten nördlich der Alpen, die ebenso gediehen wie die hier im Süden. Und dann erläuterte ich, dass meiner Ansicht nach das östliche Reich an den Islam verloren war. Die Welt der Griechen war unwiderruflich dahin.
    »Der Westen ist wieder unser, verstehst du?« Er sah mich an, als wäre ich völlig verrückt.
    »Nun?«, hakte ich nach. Sein Ausdruck wechselte.
    »Der Beobachter, der die Zeiten in Dem Blut überdauert«, wiederholte er meine früheren Worte, »Wächter über die verrinnende Zeit.«
    Er streckte die Arme aus, wie zu einer Umarmung. Seine Augen waren klar, und ich konnte keinerlei Bosheit spüren. »Du hast mir Mut gemacht.«
    »Mut wofür?«
    »Meine Wanderung fortzusetzen«, sagte er. Er ließ die Arme langsam sinken. Ich nickte. Was gab es für uns noch zu sagen? »Hast du, was du brauchst?«, fragte ich. »Ich habe sowohl venezianische als auch florentinische Münze. Du weißt, Reichtum bedeutet mir nichts. Ich teile ihn mit Freuden.«
    »Er bedeutet auch mir nichts«, entgegnete Mael. »Was ich brauche, nehme ich von meinem nächsten Opfer, dessen Geld und Blut werden mir weiterhelfen.«
    »Gut dann«, sagte ich, was heißen sollte, dass ich ihn jetzt gerne gehen sähe. Aber gerade, als ihm das klar wurde, als er sich zum Gehen wandte, griff ich nach seinem Arm.
    »Verzeih mir, ich war sehr kühl zu dir«, sagte ich. »Wir waren Gefährten im Fluss der Zeit.«
    Wir umarmten einander fest. Dann ging ich mit ihm bis zum Portal, wo die Fackeln für meinen Geschmack ein viel zu helles Licht auf uns warfen, und sah ihn im Dunkel verschwinden. Innerhalb weniger Sekunden hörte ich nichts mehr von ihm. Ich stieß ein stummes Dankgebet aus.
    Ich überlegte. Dass ich Mael hasste. Dass ich ihn fürchtete. Und doch hatte ich ihn einmal geliebt, sogar als wir beide noch Menschen waren und ich sein Gefangener. Und er war der Druidenpriester, der mich die Hymnen der Gläubigen des Waldes lehrte, obwohl ich nicht wusste, zu welchem Zweck. Und während unserer Reise nach Konstantinopel, da hatte ich ihn ebenfalls geliebt, und als wir dort waren und ich ihm und Avicus Zenobia anvertraut und ihnen gewünscht hatte, dass es ihnen gut ginge.
    Aber jetzt wollte ich ihn nicht in meiner Nähe haben! Ich wollte mein Haus, meine Kinder, Amadeo, Bianca. Mein Venedig! Meine Welt der Sterblichen! Ich wollte auf keinen Fall mein Heim aufs Spiel setzen, nur um ein paar Stunden mehr mit ihm zu verbringen. Ich wollte unter keinen Umständen meine Geheimnisse mit ihm teilen!
    Jetzt stand ich hier im Fackelschein, nicht ganz bei der Sache, und irgendetwas stimmte nicht.
    Vincenzo war in der Nähe. Ich wandte mich um und rief nach ihm, um ihm zu sagen: »Ich bin für ein paar Nächte fort. Du weißt ja, worauf es ankommt. Ich bleibe nicht sehr lange.«
    »Ja, Herr«, erwiderte er, und ich sah bestätigt, dass ihm an Mael nicht das Geringste aufgefallen war. Er war wie stets bereit, mir zu gehorchen.
    Aber dann zeigte er mit dem Finger und sagte: »Dort, Herr, Amadeo, er möchte mit Euch sprechen!«
    Erstaunt sah ich, dass drüben auf der anderen Seite des Kanals Amadeo aufrecht in einer Gondel stand und mich beobachtete. Mit Sicherheit hatte er mich zusammen mit Mael gesehen. Wieso hatte ich ihn nicht gehört? Mael hatte Recht. Ich war sorglos geworden. Die Gefühle der Menschen hatten mich schwach gemacht. Zu sehr gierte ich nach Liebe.
    Amadeo befahl seinem Gondelführer, hier am Haus anzulegen.
    »Warum bist du nicht mit Riccardo gegangen?«, wollte ich wissen. »Ich hatte erwartet, dich bei Bianca zu sehen. Du musst tun, was ich dir sage.«
    Vincenzo war urplötzlich fort, und Amadeo war aufs Kai gesprungen, hatte die Arme um mich geschlungen

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