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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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und drückte meinen harten, unnachgiebigen Körper mit aller Kraft an sich.
    »Wohin geht Ihr?« Mit überstürztem Flüstern drängte er auf eine Antwort. »Warum lasst Ihr mich schon wieder allein?«
    »Ich muss fort«, sagte ich, »aber nur für ein paar Nächte. Du weißt, es geht nicht anders. Ich habe ernste Verpflichtungen außerhalb. Und bin ich nicht immer zurückgekommen?«
    »Der Mann – der von vorhin, der, von dem Ihr Euch gerade verabschiedet habt.«
    »Frag nicht«, sagte ich streng. Wie ich das gefürchtet hatte! »Ich bin in ein paar Nächten wieder bei dir.«
    »Nehmt mich mit!«, bettelte Amadeo.
    Seine Worte trafen mich! Ich spürte, wie sich etwas in mir löste.
    »Das geht wirklich nicht«, antwortete ich, und dann kamen mir Worte über die Lippen, von denen ich nicht gedacht hätte, dass ich sie je aussprechen würde.
    »Ich gehe zu Jenen, die bewahrt werden müssen.« Es war, als müsse dieses Geheimnis einfach aus mir heraus. »Ich muss sehen, ob sie sich wohl befinden. Wie ich es schon immer gemacht habe.«
    Welches Erstaunen sich auf seinem Gesicht spiegelte. »Jene, die bewahrt werden müssen«, hauchte er. Es klang wie ein Ge bet. Ein Schauer überlief mich.
    Ich war erleichtert. Anscheinend hatte Maels Anwesenheit zur Folge, dass ich Amadeo fester an mich band. Ich hatte einen weiteren verhängnisvollen Schritt getan. Das Licht der Fackeln quälte mich.
    »Komm hinein«, sagte ich und trat mit ihm zusammen in den dämmrigen Flur. Vincenzo, der stets Gegenwärtige, zog sich zurück. Ich beugte mich nieder und küsste Amadeo, und sein warmer Körper entflammte mich.
    »Herr, gebt mir Das Blut«, flüsterte er mir ins Ohr. »Sagt mir, wer Ihr seid, Herr.«
    »Wer ich bin, Kind? Manchmal denke ich, ich weiß es selbst nicht. Und manchmal weiß ich es nur zu gut. Lerne in meiner Abwesenheit. Verschwende die Zeit nicht. Ich bin wieder hier, ehe du weißt, wie dir geschieht. Und dann werden wir über blutige Küsse und Geheimnisse sprechen, und bis dahin erzähl niemandem, dass du mir gehörst.«
    »Habe ich je darüber gesprochen, Herr?«, gab er zurück. Er küsste meine Wange. Er legte seine warme Hand darauf, als wolle er feststellen, wie wenig menschlich ich war. Ich schloss meine Lippen über den seinen und ließ ein dünnes, blutiges Rinnsal in seinen Mund sickern. Ich fühlte ihn erschauern. Er lag schlaff in meinen Armen, als ich von ihm abließ.
    Ich rief Vincenzo herbei und gab Amadeo in seine Obhut, dann ging ich in die Nacht hinaus.
    Ich ließ die herrliche Stadt Venedig mit ihren schimmernden Palästen hinter mir und zog mich in das frostige Heiligtum im Gebirge zurück. Ich wusste, dass Amadeos Schicksal besiegelt war.

 
     
     
20
     
    I ch weiß nicht genau, wie lange ich bei Jenen, die bewahrt werden müssen verweilte. Eine Woche, vielleicht länger. Kaum im Schrein angekommen, beichtete ich ihnen meine Verwunderung darüber, dass ich die Bezeichnung Jene, die bewahrt werden müssen überhaupt einem sterblichen Knaben anvertraut hatte. Ich gestand ihnen abermals, dass ich ihn wollte, dass ich meine Einsamkeit mit ihm teilen wollte. Ich wollte alles mit ihm teilen, was ich ihn lehren, ihm geben konnte.
    Ach, wie diese Worte schmerzten! Alles, was ich ihn lehren, ihm geben konnte.
    Was war das schon für die Unsterblichen Eltern? Nichts! Und während ich die Lampendochte kürzte, Öl nachgoss und das Licht um die in alle Ewigkeit stummen ägyptischen Gestalten aufstrahlen ließ, tat ich Buße. Zweimal zündete ich mit der Gabe des Feuers die lange Reihe aus hundert Kerzen an und ließ sie niederbrennen.
    Aber während ich betete und träumte, kam ich plötzlich zu einer klaren Entscheidung: Nämlich, dass ich diesen Sterblichen genau deshalb als Gefährten wollte, weil ich mich selbst mit der Welt der Sterblichen eingelassen hatte.
    Wenn ich meinen Fuß nicht in Botticellis Werkstatt gesetzt hätte, nie hätte ich diese wahnsinnige Einsamkeit spüren müssen. Sie war mit meiner Liebe zu den Künsten vermischt, besonders mit meiner Liebe zur Malerei, und dem Verlangen, den Sterblichen nahe zu sein, für die die Schöpfungen dieser Epoche ein ebenso geziemendes Lebenselixier waren wie Blut für mich.
    Ich gab auch zu, dass ich Amadeos Erziehung beinahe vollendet hatte.
    Wenn ich wach war, forschte ich mit der Gabe des Geistes das Tun und Denken Amadeos aus, der nur ein paar hundert Meilen fern von mir war. Offensichtlich hielt er sich an meine Anweisungen und widmete sich

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