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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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antun. Doch du sollst die Zähne sehen und Das Blut, und wenn du willst – hörst du, ich bitte dich um Erlaubnis! –, werde ich dir ein wenig Blut auf die Zunge tröpfeln.« Ich öffnete den Mund, sodass er die Fangzähne sehen konnte, und spürte, wie sein Körper sich versteifte. Er stieß verzweifelt ein lateinisches Gebet aus. Ich biss mir in die Zunge, wie ich es schon hundertmal für Amadeo gemacht hatte. Dann fragte ich: »Willst du dieses Blut?« Er schloss die Augen.
    »Ich werde diese Entscheidung nicht für dich treffen, Gelehrter. Willst du diese Lehre annehmen?«
    »Ja«, flüsterte er, obwohl sein Geist eigentlich Nein meinte. Ich verschloss ihm den Mund mit einem glühenden Kuss. Er schluckte Das Blut und wurde von einem wilden Zucken geschüttelt. Als ich ihn losließ, konnte er kaum aufrecht stehen. Aber dieser Mann, er war kein Feigling. Und er ließ nur eine Sekunde lang den Kopf sinken, dann sah er mit getrübten Augen zu mir auf. Ein Zauber lag in diesem Augenblick über ihm, den ich geduldig abwartete.
    »Ich danke dir, Raymond Gallant«, sagte ich, bereit, durch das Fenster zu verschwinden. »Schreib mir, was du über Pandora erfährst, und wenn es dir nicht möglich ist, habe ich dafür Verständnis.«
    »Betrachte uns nie als deinen Feind, Marius«, sagte er hastig.
    »Keine Angst«, erklärte ich. »Ich vergesse eigentlich nie etwas. Ich werde immer daran denken, dass du mir von Pandora erzählt hast.«
    Und dann war ich verschwunden.
    Als ich in mein Schlafzimmer zurückkam, lag Amadeo immer noch wie von Wein betäubt im Schlaf, dabei war es doch nur das Blut eines Sterblichen gewesen. Ich schrieb ein wenig in mein Tagebuch, versuchte das Gespräch, das gerade stattgefunden hatte, vernünftig wiederzugeben. Ich versuchte, nach dem, was ich von Raymond Gallant gehört hatte, die Talamasca zu beschreiben.
    Aber schließlich verlor ich mich ganz darin, immer und immer wieder wie närrisch den Namen Pandora zu schreiben, bis ich den Kopf auf die verschränkten Arme sinken ließ und von ihr zu träumen begann und ihr im Traum leise Worte zuflüsterte. Pandora im Norden Europas, doch wo dort? Welche Länder mochten das sein?
    Ach, wenn ich ihren Gefährten, den Asiaten, fände, wie würde ich mit ihm abrechnen! Wie schnell und gewaltsam würde ich sie aus seiner Unterdrückung befreien! Pandora! Wie konnte sie so etwas überhaupt zulassen? Und kaum hatte ich mir die Frage gestellt, da merkte ich, dass ich schon wieder über sie richtete, wie so oft in früheren Zeiten.
    Als es Zeit war, das Haus für diese Nacht zu verlassen und unsere Ruhestätte aufzusuchen, entdeckte ich Bianca, die in meinem Studio auf einem seidenen Ruhebett ausgestreckt schlief.
    »Du bist so entzückend«, sagte ich, indem ich ihr Haar zärtlich küsste und sacht ihren hübsch geformten Arm drückte.
    »Ich bete dich an«, hauchte sie und fuhr fort zu träumen – mein schönes, wunderbares Mädchen.
    Wir begaben uns zu unserem goldenen Gelass, in dem unsere Särge warteten. Ich half Amadeo, den Deckel seines Sarges anzuheben, ehe ich meinen eigenen öffnete. Amadeo war müde. Das Tanzen hatte ihn erschöpft, aber schlaftrunken wisperte er mir etwas zu.
    »Was sagst du?«, fragte ich.
    »Wenn die Zeit reif ist, wirst du es tun. Du wirst Bianca Das Blut geben.«
    »Nein!«, brauste ich auf. »Hör auf, davon zu reden, das macht mich wütend.«
    Er lachte sein kaltes, gefühlloses, kurzes Lachen. »Ich weiß, dass du es tun wirst. Du liebst sie zu sehr, um zuzusehen, wie sie dahinwelkt.«
    »Niemals! Und nun kein Wort mehr davon. Lass uns schlafen.«
    Und dann legte ich mich zur Ruhe. Ich dachte im Traum nicht daran, dass dies der letzte Tag unseres gemeinsamen Lebens war, die letzte Nacht meiner überirdischen Macht, die letzte Nacht als Marius de Romanus, venezianischer Bürger, Maler und Magier, die letzte Nacht meiner vollkommenen Glückseligkeit.

 
     
     
24
     
    A m folgenden Abend erhob ich mich wie üblich und wartete dann etwa eine Stunde, bis Amadeo die Augen aufschlug. Da er noch jung war, spürte er den Sonnenuntergang nicht so rasch wie ich, und ohnehin unterscheidet sich die Zeit des Erwachens bei allen Bluttrinkern.
    Ich saß in der goldgeschmückten Kammer, tief in meine Gedanken an den Gelehrten Raymond Gallant versunken, und fragte mich, ob er meinen Rat, Venedig zu verlassen, schon befolgt hatte. Welche Gefahr konnte er für mich heraufbeschwören, überlegte ich? Selbst wenn er es vorhätte, wen

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