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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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mit langen, geschickten Fingern. Ein weiteres Jahr lang wagte ich nicht, Raymond Gallant zu schreiben. Mit Bianca an meiner Seite suchte ich hastig und ungeschickt in weit entfernten Städten nach Übeltätern. Da solche Kreaturen sich oft zu Banden zusammenschließen, hielten wir meist einen wahren Festschmaus. Danach raubte ich den Toten, was ich an Kleidung und Gold brauchte, ehe wir uns vor Tagesanbruch auf den Rückweg zum Schrein machten. Ich glaube rückblickend, dass wir gut und gerne zehn Jahre so lebten. Aber weiß ich es mit Bestimmtheit zu sagen? Immerhin ist das mit der Zeit bei uns so eine Sache.
    Ich erinnere mich jedoch genau, dass zwischen mir und Bianca eine starke, unerschütterliche Bindung bestand. Im Verlauf dieser Jahre war sie mir im Schweigen eine ebenso gute Gefährtin, wie sie es je in Gesprächen gewesen war. Wir handelten als eins, ohne Streitereien oder vorheriges Beraten.
    Sie war eine stolze, erbarmungslose Jägerin, der Majestät Jener, die bewahrt werden müssen ergeben, und trank, wenn möglich, von mehr als einem Opfer. Sie schien tatsächlich Blut in grenzenlosen Mengen aufnehmen zu können. Sie wollte Kraft, von mir wie von den Übeltätern, die sie mit selbstgerechter Kälte tötete.
    Wenn sie sich in meinen Armen vom Wind treiben ließ, wandte sie ihre Augen ohne Furcht den Sternen zu. Oft erzählte sie mir mit weicher Stimme und ganz unbeschwert über ihr Leben in Florenz, als sie noch sterblich gewesen war, sprach über ihre Jugend und wie sehr sie ihre Brüder geliebt hatte, die große Bewunderer von Lorenzo dem Prächtigen waren. Ja, meinen geliebten Botticelli hatte sie häufig getroffen und beschrieb mir Bilder von ihm, die ich nicht kannte. Hin und wieder sang sie mir selbst komponierte Lieder vor. Traurig erzählte sie vom Tod ihrer Brüder und von der Zeit, als sie in der Gewalt ihrer üblen Verwandten war. So gern ich mich mit ihr unterhielt, so gern hörte ich ihr auch zu. Eigentlich staune ich noch heute darüber, wie harmonisch unser Verhältnis war.
    Und obwohl sie jeden neuen Morgen ihr schönes Haar sorgfältig frisierte und die hübschen, dünnen Perlenschnüre hineinflocht, beklagte sie sich nie über unser Los und trug wie ich die Kleider, die wir unseren Opfern abnahmen.
    Manchmal schlüpfte sie diskret hinter den Thron des Königspaares, wo sie ihre kostbaren Bündel aufbewahrte, und zog eine ihrer herrlichen seidenen Roben an, nur um darin in meinen Armen zu schlafen, nachdem ich sie bewundernd mit Komplimenten und Küssen überschüttet hatte.
    Nie hatte ich einen solchen Frieden mit Pandora erfahren, nie diese herzliche Schlichtheit.
    Und trotzdem hatte ich nur Pandora im Kopf – Pandora, die mit ihrem asiatischen Gefährten den Norden Europas bereiste. Eines Nachts nach einer wilden Jagd bat mich Bianca erschöpft und gesättigt, sie früh zum Schrein zurückzubringen, und so hatte ich plötzlich drei kostbare Stunden ganz für mich allein, ehe der Morgen kam.
    Ich machte mich zu einem weit entfernt gelegenen Kloster auf, das im Zuge der Bewegung, die Gelehrte als Reformation bezeichnen, sehr hatte leiden müssen. Hier, wusste ich, würden ich von Angst verzehrte Mönche finden, die mir für Gold helfen würden, einen Brief nach England zu schicken. Zuerst betrat ich die verödete Klosterkapelle, wo ich jede einzelne Kerze aus gutem Bienenwachs in einem Sack verstaute, um damit die niedergebrannten im Schrein zu ersetzen. Dann ging ich in das Skriptorium, wo ein alter Mönch beim Licht einer einzigen Kerze mit fliegender Feder etwas schrieb. Als er meine Gegenwart bemerkte, hob er den Blick.
    »Ja«, sagte ich; ich sprach in seinem deutschen Dialekt zu ihm. »Ich bin ein Fremder, und ich komme mit einem merkwürdigen Anliegen zu Euch, aber glaubt mir, ich habe nichts Böses im Sinn.« Sein graues Haar war zur Tonsur geschoren, und trotz der braunen Kutte schien er in dem Skriptorium zu frieren. Völlig furchtlos betrachtete er mich.
    Aber ich sagte mir, dass ich nie menschlicher ausgesehen hatte. Meine Haut war mohrenschwarz, und ich trug ziemlich unauffällige graue Kleider, die ich einem zur Hölle verdammten Schurken abgenommen hatte.
    Als er mich weiterhin nur ansah, offensichtlich nicht geneigt, jemanden zu Hilfe zu rufen, versuchte ich es mit meinem alten Trick – ich legte eine goldgefüllte Börse vor ihn hin, zum Besten des so bedürftigen Klosters.
    »Ich habe einen Brief zu schreiben«, erklärte ich, »der für einen Ort in England

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