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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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bestimmt ist.«
    Er sah mich an, die dicken grauen Augenbrauen hochgezogen, und fragte: »Ein papsttreuer Ort?«
    »Ich denke doch«, sagte ich mit einem Schulterzucken. Ich konnte ihm natürlich nichts von der weltlichen Natur der Talamasca erzählen.
    »Dann denkt noch einmal«, meinte er, »denn England steht ja nicht mehr treu zum Heiligen Vater.«
    »Was um alle Welt meint Ihr?«, fragte ich. »Die Reformation hat doch sicherlich nicht auf England übergegriffen.« Er lachte. »Nein, nicht direkt die Reformation. Es ist eher der Hochmut des englischen Königs, der sich von seiner spanischen Gemahlin trennen wollte und der dem Papst die Macht verweigerte, ihm das zu untersagen.«
    Ich war so niedergeschlagen, dass ich mich ohne Aufforderung auf die nächste Bank fallen ließ.
    »Wer seid Ihr?«, fragte der Alte, indem er die Feder niederlegte. Er betrachtete mich überaus nachdenklich.
    »Das spielt keine Rolle«, sagte ich müde. »Glaubt Ihr, es ist unmöglich, dass ein von hier abgeschickter Brief die Burg Lorwich in East Anglia erreicht?«
    »Ich weiß nicht«, entgegnete der Mönch. »Möglich wär’s. Denn es gibt sowohl Widerstand gegen Heinrich VIII. den König, als auch Zustimmung. Aber er hat alle Klöster in England aufgelöst. Und so gibt es keines, an das ich einen Brief richten könnte, sondern er müsste direkt der Burg zugeleitet werden. Und wie soll das gehen? Wir müssen überlegen. Zumindest versuchen kann ich es.«
    »Ja, bitte, lasst es uns versuchen.«
    »Aber sagt mir doch zuerst, wer Ihr seid«, fragte er abermals. »Sonst weigere ich mich zu schreiben. Außerdem wüsste ich gern, warum Ihr alle Wachskerzen aus der Kapelle gestohlen und nur die minderwertigen dagelassen habt.«
    »Woher wisst Ihr das?«, wollte ich wissen. Erregung stieg in mir auf, denn meiner Ansicht nach war ich leise wie ein Mäuschen gewesen.
    »Ich bin kein normaler Mann«, sagte er. »Ich höre und sehe Dinge, die andere Leute nicht wahrnehmen können. Ich weiß, Ihr seid kein Mensch. Was seid Ihr?«
    »Das kann ich Euch nicht sagen«, entgegnete ich. »Was denkt Ihr denn? Sagt mir, ob Ihr in meinem Herzen böse Absichten findet. Sagt mir, was Ihr in mir seht.«
    Er betrachtete mich lange Zeit. Seine Augen waren von einem dunklen Grau, und als ich sein vom Alter geprägtes Gesicht ansah, konnte ich darin immer noch den resoluten jungen Mann erkennen, der er einst war, dabei hatte seine Charakterstärke mit den Jahren noch zugenommen, wenn auch sein Körper unter der Schwäche des Alters litt.
    Schließlich wandte er sich ab und heftete seine Augen auf die einzelne Kerze, als sei er mit seiner Begutachtung fertig.
    »Ich lese gern ausgefallene Bücher«, sagte er mit gedämpfter, aber klarer Stimme, »ich habe mich einigen Texten gewidmet, die aus Italien stammen und sich mit Zauberkünsten und Astrologie und Ähnlichem befassen, Dinge, die man oft für verboten hält.« Mein Puls beschleunigte sich. Da schien ich ja außerordentliches Glück zu haben. Ich unterbrach ihn nicht.
    »Ich glaube daran, dass es gefallene Engel gibt, Engel, die aus dem Himmel gewiesen wurden«, sagte er, »und die nicht mehr wissen, was sie einst waren. Sie streifen in einem Zustand der Verwirrung umher. Ihr scheint mir so einer zu sein, doch wenn meine Theorie stimmt, werdet Ihr mir das nicht bestätigen können.« Seine kuriose Theorie verblüffte mich derart, dass mir die Worte fehlten.
    »Nein, zu denen gehöre ich nicht«, antwortete ich schließlich. »Das ist gewiss. Aber ich wünschte, es wäre so. Ich will Euch ein schreckliches Geheimnis anvertrauen.«
    »Gut dann«, sagte er, »Ihr könnt mir beichten, da ich kein gewöhnlicher Mönch, sondern Priester bin, aber ich habe Zweifel, ob ich Euch die Absolution erteilen kann.«
    »Hier ist mein Geheimnis: Ich lebe schon seit der Zeit, da Christus auf der Erde wandelte, wenn ich damals auch nichts von ihm wusste.«
    Er dachte ein ganze Weile ungerührt über diese Worte nach, schaute mir zuerst in die Augen und wandte dann den Blick wieder der Kerze zu. »Ich glaube Euch nicht so recht. Aber Ihr seid ein mysteriöses Geschöpf, mit Eurer schwarzen Haut und den blauen Augen und blonden Haaren, und dem Gold, das Ihr mir so großzügig auf den Tisch legt. Ich werde es natürlich nehmen. Wir brauchen es dringend.«
    Ich lächelte. Ich mochte ihn. Natürlich würde ich ihm nichts weiter erzählen. Was konnte es für ihn schon bedeuten? »Gut«, sagte er, »ich werde den Brief für Euch

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