Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold
es ist so«, sagte ich. »Und dir sollte es egal sein. Du musst nicht in den Schrein hinuntergehen. Für mich ist es eine Pflicht. Pandora, schau mich an.«
»Tu mir nicht weh, Marius«, warnte sie. »Du behandelst mich so grob, als wäre ich eine Konkubine. Erweise mir Respekt.« Ihre Lippen bebten, dann sagte sie traurig: »Erweise mir Barmherzigkeit.« Ich begann zu weinen.
»Bleib bei mir«, bat ich. »Komm ins Haus. Sprich mit Bianca. Versuch uns beide zu lieben. Lass die Zeit von vorn beginnen.«
»Nein, Marius«, sagte sie. »Bring mich hier weg, fort von diesem grauenvollen Klang. Bring mich zu meinem Haus. Bring mich hin, oder ich gehe zu Fuß. Ich kann es nicht ertragen.« Ich gehorchte ihr. Schweigend fuhren wir zu einem großen, ansehnlichen Haus in Dresden, hinter dessen Fenstern kein Licht zu sehen war, und dort hielt ich sie fest im Arm, küsste sie und wollte sie nicht gehen lassen. Schließlich zog ich mein Taschentuch hervor und trocknete mir das Gesicht. Ich atmete tief ein und versuchte, ruhig zu sprechen: »Du bist erschrocken, und ich muss das verstehen und Geduld mit dir haben.«
Sie hatte wieder diesen benommenen, kalten Ausdruck in den Augen, den ich früher nicht an ihr gekannt hatte und der mich nun entsetzte.
»Du wirst mich morgen Nacht Wiedersehen«, sagte ich, »vielleicht hier in deinem Haus, wo du vor dem Herzschlag Der Eltern sicher bist. Wo du willst. Irgendwo, nur sollst du dich wieder an mich gewöhnen.«
Sie nickte. Dann hob sie die Hand und streichelte meine Wange.
»Wie gut du doch darin bist, so zu tun, als ob!«, flüsterte sie. »Wie edel du bist, schon immer warst. Wenn ich mir vorstelle, dass diese Teufel in Rom dachten, sie hätten dein strahlendes Licht ausgelöscht! Ich hätte ihnen ins Gesicht lachen sollen.«
»Ja, und mein Licht scheint nur für dich«, murmelte ich, »und nur von dir träumte ich, als mich das Feuer schwarz gebrannt hatte, das dieser teuflische Santino schickte. Von dir träumte ich, als ich von Der Mutter trank, um wieder zu Kräften zu kommen, und als ich ganz Europa nach dir absuchte.«
»Ach, mein Liebster«, flüsterte sie, »meine große Liebe! Wenn ich doch nur wieder die starke Pandora werden könnte, an die du dich erinnerst.«
»Aber das wirst du!«, behauptete ich. »Du bist es schon. Ich werde für dich sorgen, bestimmt! Wie du es möchtest. Und du und Bianca und ich – wir werden einander lieben. Morgen Nacht reden wir weiter. Wir werden Pläne schmieden. Werden uns überlegen, welche großen Kathedralen wir besichtigen und wo es herrliche farbige Fenster zu sehen gibt, wir werden über die Maler sprechen, deren Werke wir unbedingt sehen müssen. Und wir werden über die Neue Welt sprechen, über die Wälder und Flüsse dort. Ach, Pandora, über alles werden wir sprechen!« Und so redete und redete ich.
»Und du wirst Bianca bestimmt bald gern haben«, sagte ich, »du wirst sie schätzen lernen. Ich kenne Bianca durch und durch, so gut, wie ich dich kannte, das schwöre ich. Wir werden ganz friedlich zusammenleben, glaub mir. Du hast keine Ahnung, welches Glück noch auf dich wartet.«
»Glück?«, fragte sie. Sie sah mich an, als hätte sie kaum ein Wort verstanden. Dann sagte sie: »Marius, ich verlasse die Stadt noch heute Nacht. Nichts kann mich davon abhalten!«
»Nein, das darfst du nicht!« Ich packte sie wieder bei den Armen. »Hör auf, mir wehzutun, Marius! Ich verlasse die Stadt heute Nacht! Marius, ich sagte dir, du hast hundert Jahre nur auf eines gewartet, nur darauf: zu sehen, dass ich lebe! Und nun überlass mich der Art von Existenz, die mir passt!«
»Nein, das lasse ich nicht zu. Ich will es nicht!«
»Doch!«, flüsterte sie. »Marius, siehst du nicht, was ich dir die ganze Zeit erklären will? Ich habe nicht den Mut, Arjun zu verlassen. Ich habe nicht den Mut, Die Mutter und Den Vater zu sehen. Marius, selbst dich zu lieben, fehlt mir der Mut. Allein der Klang deiner zornigen Stimme macht mir schon Angst! Ich habe nicht den Mut, deine Bianca zu treffen. Der bloße Gedanke, dass du sie mehr lieben könntest als mich, macht mir Angst. Siehst du nicht? Ich habe vor allem Angst. Und jetzt gerade warte ich verzweifelt, dass Arjun mich von all dem fortholt. Mit Arjun habe ich nicht solche Probleme. Marius, bitte lass mich gehen und vergib mir.«
»Ich glaube es einfach nicht«, sagte ich. »Ich sagte dir, dass ich für dich auf Bianca verzichten würde. Guter Gott, Pandora, was kann ich noch tun? Du
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