Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold
befreien. Ich habe keine Angst vor ihm! Und dann bist du wieder bei mir, und deine Lebensgeister werden wieder erwachen!«
»Du träumst«, sagte sie, und Kälte kroch in ihre Miene, in ihre Stimme. Selbst in ihren braunen Augen stand Kälte, die von Kummer herrührte.
»Willst du mir sagen«, fragte ich, »dass du mich wieder allein lassen willst, um dieses Burschen willen? Und du glaubst, dass ich das akzeptiere?«
»Und was willst du damit sagen, Marius? Dass du mich mit Gewalt zwingen wirst?« Ihre Stimme klang leise und distanziert.
»Aber sagtest du nicht, du bist schwach, du bist eine Sklavin? Verlangt das nicht geradezu danach, Gewalt anzuwenden?« Sie schüttelte den Kopf, sie war kurz davor zu weinen. Wieder überkam mich der Impuls, ihr Haar zu lösen, es über ihre Schultern fallen zu sehen, den Schmuck herauszureißen. Ich wollte ihr Gesicht in meine Hände nehmen. Und ich tat es. Aber ich war zu grob.
»Pandora, hör doch«, flehte ich. »Vor hundert Jahren erfuhr ich von einem merkwürdigen Sterblichen, dass du mit dieser Kreatur umherziehst, dass du auf deinen Reisen immer wieder nach Dresden kamst. Und daraufhin zog ich selbst hierher in diese Stadt, um auf dich zu warten. Seitdem ist nicht eine Nacht vergangen, ohne dass ich sofort nach dem Aufwachen den Blick in diese Richtung gewandt hätte.
Und jetzt, da ich dich in den Armen halte, habe ich nicht die mindeste Absicht, dich wieder gehen zu lassen.« Wieder schüttelte sie den Kopf. Sie schien einen Augenblick unfähig zu sprechen. Ich spürte, dass sie in ihren fremdartigen modischen Gewändern wie in einem Gefängnis steckte und in einem schmerzlichen Traumzustand verloren schien.
»Aber was, Marius, kann ich dir geben? Was das ist, weißt du schon. Nämlich, dass ich noch lebe, dass ich die Zeiten überdauere, dass ich rastlos umherziehe? Ob mit oder ohne Arjun, was macht es schon?«
Sie blickte mich fragend an.
»Und was erfahre ich über dich, außer dass du weitermachst, dass du die Zeiten überdauerst – dass dich diese Teufel aus Rom nicht vernichtet haben, wie sie es behaupteten. Dass du im Feuer warst, ja, das kann ich an der Farbe deiner Haut sehen, aber du lebst, du überlebst. Was sonst wäre da, Marius?«
»Was in aller Welt sagst du da?«, wollte ich wissen, von jäher Wut erfasst. »Pandora, wir haben einander! Guter Gott! Wir haben Zeit. Wenn wir jetzt wieder zusammenkommen, beginnt die Zeit für uns aufs Neue!«
»Wirklich, Marius? Ich weiß nicht«, entgegnete sie. »Marius, ich habe nicht die Kraft.«
»Das ist doch Unsinn, Pandora!«
»Ach, du bist so zornig! Wie damals in den alten Zeiten, wenn wir uns stritten.«
»Nein, das stimmt nicht!«, erklärte ich. »Es ist kein bisschen wie früher, denn wir streiten um ein Nichts. Ich nehme dich jetzt mit. Ich nehme dich mit in meinen Palast, und anschließend befasse ich mich mit Arjun.«
»Das kannst du nicht machen«, sagte sie scharf. »Marius, ich bin seit Hunderten von Jahren mit ihm zusammen. Meinst du, du könntest dich so einfach zwischen uns stellen?«
»Pandora, ich will dich. Etwas anderes kommt gar nicht in Frage. Und sollte es dahin kommen, dass du mich abermals verlassen wolltest…«
»Ja, was, wenn es dahin kommt«, sagte sie zornig, »was soll ich dann tun, wenn da kein Arjun mehr ist – deinetwegen!« Ich schwieg still, von Wut gepackt. Sie sah mich durchdringend an. Ihr Gesicht spiegelte ihre Gefühle, und ihre Brust hob und senkte sich unter dem engen Satinstoff.
»Liebst du mich?«, wollte ich wissen.
»Absolut«, sagte sie in zornigem Ton.
»Dann kommst du jetzt mit mir!«
Ich nahm sie bei der Hand. Niemand rührte sich, um uns zurückzuhalten, als wir den Palast verließen. Kaum hatte ich sie in meinem Wagen, küsste ich sie wollüstig, wie Sterbliche küssen, und hätte ihr am liebsten meine Zähne in den Hals gebohrt, aber das verbot sie mir.
»Oh, bitte, schenk mir diese innige Berührung«, bettelte ich. »Um der Götter willen, Pandora, ich bin’s, Marius, der mit dir spricht. Hör doch. Lass uns Das Blut miteinander teilen.«
»Meinst du, ich wollte nicht?«, fragte sie. »Ich habe Angst.«
»Angst wovor? Sag mir, was dir Angst macht, und ich werde es beseitigen.«
Der Wagen rollte aus Dresden heraus und durch den Wald auf meinen Palast zu.
»Oh, das wirst du nicht«, gab sie zurück, »das kannst du nicht. Du verstehst nicht, Marius, du bist der Gleiche wie in den alten Zeiten, als wir zusammen waren. Du bist stark und
Weitere Kostenlose Bücher