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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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eingehend. Welch edles Geschöpf er doch war! Die prächtige weiße Perücke kontrastierte scharf mit seiner schimmernden braunen Haut, und die schwarzen Augen blickten mich voller Ernst und mit sichtlichem Verständnis an.
    »Bleibt bei mir«, sagte ich, »ihr beide, bleibt hier bei mir. Bleibt bei mir und meiner Gefährtin Bianca.«
    Er lächelte und schüttelte den Kopf. Seine Augen spiegelten keine Geringschätzung. Wir standen uns von Mann zu Mann gegenüber, und er sagte einfach »Nein«.
    »Sie will es nicht«, sagte er in versöhnlichem Ton. »Ich kenne sie, ich weiß, wie sie ist. Sie nahm mich zu sich, weil ich sie anbetete. Und selbst als ihr Blut in mir war, habe ich nicht aufgehört, sie anzubeten.«
    Ich stand da, hielt ihn immer noch am Arm fest und blickte im Raum umher, als wollte ich gleich lauthals die Götter anrufen! Und mir schien, wenn ich diesen Schrei ausstieße, würde er die Wände des Hauses einstürzen lassen.
    »Wie ist das möglich!«, flüsterte ich. »Dass ich sie fand und nur eine Nacht besitzen durfte, eine kostbare Nacht, im Streit verbracht.«
    »Du und sie, ihr seid euch ebenbürtig. Ich bin nur ein Werkzeug«, sagte Arjun.
    Ich schloss die Augen. Ganz plötzlich hörte ich Pandora weinen, und als dieser Ton an sein Ohr drang, löste sich Arjun sanft aus meinem Griff und sagte leise mit seiner weichen Stimme: »Ich muss zu ihr.«
    Bedächtig schritt ich durch die Halle, über die marmornen Stufen hinab und hinaus in die Nacht; meine Kutsche ignorierte ich. Ich ging durch den Wald nach Hause. Dort ging ich in die Bibliothek, nahm die Perücke ab, die ich auf dem Ball getragen hatte, schleuderte sie quer durch den Raum und setzte mich an meinen Schreibtisch. Ich legte den Kopf auf die verschränkten Arme und weinte stumm, weinte, wie ich seit Eudoxias Tod nicht mehr geweint hatte. Stunden vergingen, bis ich schließlich merkte, dass Bianca neben mir stand. Sie strich über mein Haar, und dann hörte ich sie flüstern: »Es ist Zeit, die Stufen hinab in unser kaltes Grab zu steigen, Marius. Für dich ist es noch früh, doch ich muss jetzt gehen, und ich kann dich hier nicht so sitzen lassen.«
    Ich erhob mich. Ich nahm sie in die Arme und gab mich einem Tränenstrom hin, und sie hielt mich schweigend und liebevoll fest. Und dann gingen wir gemeinsam zu unseren Särgen. Am Abend darauf ging ich als Erstes zu dem Haus, in dem ich Pandora zurückgelassen hatte. Es war verlassen, und ich durchsuchte ganz Dresden und die umliegenden Schlösser und Paläste. Doch sie und Arjun waren zweifellos fort. Und als ich mich zur herzoglichen Residenz begab, wo ein kleines Konzert stattfand, hörte ich es bald auch ganz offiziell: Die prächtige Kutsche der de Malvriers war noch vor dem Morgengrauen nach Russland aufgebrochen. Russland!
    Ich war für musikalische Darbietungen nicht in der Stimmung, entschuldigte mich bald bei den Anwesenden und ging heim, mit gebrochenem Herzen und unglücklich wie selten während meiner Existenz. Ich setzte mich an den Schreibtisch und schaute über den Fluss. Ich spürte den linden Frühlingswind. Ich malte mir all das aus, was wir zueinander hätten sagen sollen und nicht gesagt hatten, all das, was ich, mit ruhigerem Gemüt, hätte sagen können, um sie zum Bleiben zu bewegen. Ich sagte mir, dass sie mir ja nicht auf ewig entschlüpft war. Ich sagte mir, dass sie wusste, wo ich zu finden war, und dass sie mir schreiben könnte. All das und noch viel mehr machte ich mir klar, nur damit ich nicht den Verstand verlor.
    Und ich hörte wieder nicht, dass Bianca hereinkam, nicht einmal, dass sie sich dicht neben mir in den samtbezogenen Lehnstuhl setzte. Als ich aufblickte, dachte ich, ich hätte eine Vision – da saß ein makelloser junger Mann mit Wangen wie Porzellan, das blonde Haar mit einem schwarzen Band im Nacken zusammengehalten. Ihr Gehrock war mit Goldfäden bestickt, und die hübschen Beine steckten in schneeweißen Strümpfen; an den Füßen trug sie rubinbesetzte Schnallenschuhe. Ach, war das ein göttliches Kostüm – Bianca als junger Edelmann. Die paar Sterblichen, die sie kannten, hielten sie für ihren eigenen Bruder. Und wie traurig blickten ihre blauen Augen, als sie mich ansah.
    »Es tut mir so Leid für dich«, sagte sie sanft.
    »Wirklich?«, fragte ich. Mein gebrochenes Herz schrie diese Worte. »Ich hoffe doch, mein liebster Schatz, denn ich liebe dich, liebe dich mehr denn je, und ich brauche dich.«
    »Aber weißt du, das ist es ja

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