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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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beobachtete? Ich hatte keine Ahnung. Ich hatte Angst. Ich würde erst Bescheid wissen, wenn ich ihre Stimme hörte. Ich sah sie immerzu nur an, ich sah sie an, um diesen glückseligen Moment vollkommener Gewissheit auszukosten.
    Plötzlich entdeckte sie mich. Sie fand mich in dem Meer aus Gesichtern. Ihre Augen hefteten sich auf mich, und ich sah, wie ihr das Blut in die lieblichen Wangen schoss. Ihr Mund öffnete sich und formte den Namen Marius.
    Ich hörte es durch die schwachen Klänge der Musik. Ich hob den Finger an die Lippen, wie Bianca erst kurz zuvor, und warf Pandora einen Kuss zu. Trauer und Glück spiegelten sich gleichermaßen in ihren Zügen, ihr Mund öffnete sich zu einem ungewissen Lächeln, während sie mich ansah. Sie schien wie angewachsen an ihrem Platz, und mir ging es ebenso.
    Es war nicht auszuhalten! Uns schienen Abgründe des Schweigens zu trennen!
    Eilig schritt ich quer über die Tanzfläche und verneigte mich vor Pandora. Ich nahm ihre kalte weiße Hand und führte sie in die Reihe der Tanzenden, ohne ihren Widerstand zur Kenntnis zu nehmen. Dabei flüsterte ich: »Nein! Du bist jetzt mein, du bist mein, hörst du? Du kannst nicht fort.«
    »Marius«, hauchte sie in mein Ohr. »Ich habe Angst vor ihm, und er ist stark. Ich muss ihm erklären, dass wir uns gefunden haben.«
    »Ich habe keine Angst vor ihm. Außerdem weiß er Bescheid. Was macht das schon?«
    Wir tanzten gemessen, als sprächen wir nicht solche bedeutenden Worte. Ich drückte sie an mich und küsste ihre Wangen. Mir war egal, was die Sterblichen ringsum von dieser Ungehörigkeit halten mochten. Der Gedanke war schon absurd.
    »Pandora, mein liebstes Leben, wenn du nur wüsstest, wie lange ich gewartet habe. Was nützt es, dir jetzt zu sagen, dass du mir von Anfang an gefehlt hast, qualvoll gefehlt hast! Pandora, hör zu, lass die Augen offen, sieh mich an! Noch im selben Jahr wusste ich, welch entsetzlichen Fehler ich gemacht hatte!« Ich merkte, dass ich zu heftig wurde: Ich umklammerte ihre Hand zu fest. Ich war aus dem Takt gekommen. Die Musik schrillte lärmend in meinen Ohren. Ich hatte die Beherrschung verloren. Sie zog sich etwas zurück und schaute mir in die Augen.
    »Bring mich hinaus, in den Pavillon«, bat sie. »Dort in der frischen Luft am Fluss spricht sich’s besser. Die Musik macht mich ganz schwindelig.«
    Ich führte sie durch eine hohe Flügeltür nach draußen, und dann saßen wir auf einer steinernen Bank, von wo aus man den Fluss überblickte. Ich werde es nie vergessen – die klare Nacht, die Sterne schienen mir günstig zu sein, und das Mondlicht schimmerte hell auf dem Fluss. Von Blumenkübeln umgeben saßen wir zwischen Sterblichen, die als Paare oder in Grüppchen ein wenig Luft schnappten, ehe sie wieder in den Ballsaal zurückkehrten. Doch hielten wir uns im Schatten der Pflanzen, und ich gab mich ganz meinem Verlangen hin und küsste Pandora. Ich spürte ihre lieblichen Wangen unter meinen Lippen. Ich küsste ihren Hals, streichelte das dicht gewellte braune Haar, das ich so oft an den ungezügelt durch meinen üppigen Garten laufenden Nymphen gemalt hatte. Am liebsten hätte ich ihre Frisur gelöst.
    »Verlass mich nicht noch einmal«, murmelte ich. »Welche Worte auch heute Nacht zwischen uns fallen, verlass mich nicht wieder.«
    »Marius, du hast mich verlassen«, sagte sie, und ich hörte ein Beben in ihrer Stimme, das mir Angst machte.
    »Marius, das ist so lange her«, sagte sie traurig. »Marius, auf der Suche nach dir bin ich so weit und so lange gewandert.«
    »Ja, ich gebe alles zu«, sagte ich. »Ich gestehe jeden Fehler ein. Wie konnte ich ahnen, was es hieß, unser Band zu zerreißen? Pandora, ich ahnte es nicht! Glaub mir, ich wusste es nicht! Sag mir, dass du diesen Burschen, diesen Arjun verlässt und zu mir zurückkommst! Pandora, ich kann keine schönen Worte machen. Ich bringe keine Liebesgedichte über die Lippen. Pandora, sieh mich an.«
    »Ich sehe dich an!«, erklärte sie. »Merkst du es nicht? Du blendest mich! Marius, glaubst du, ich hätte nicht von der Versöhnung geträumt? Und nun siehst du mich in dieser beschämenden Lage, in dieser Schwäche!«
    »Was meinst du mit Scham und Schwäche?«
    »Schwäche, weil ich die Sklavin meines Gefährten bin. Dass ich mich mit ihm durch die Welt treiben lasse, dass ich keinen eigenen Willen habe. Marius, ich bin ein Nichts.«
    »Nein, das ist nicht wahr, und außerdem spielt es keine Rolle. Ich werde dich von Arjun

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