Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold
wesentlich stärker nach als notwendig. Voller Grausamkeit zeigte ich denen, die ich tötete, meine Fangzähne. Die hohe Bevölkerungszahl sorgte dafür, dass ich nie darben musste. Nie zuvor in meiner Existenz war ich so sehr ein Bluttrinker. Ich betrachtete es als Herausforderung, mich diesem Bilde gemäß zu verhalten, meine Zähne beim ersten Biss sauber und auf den Punkt genau in das Opfer zu bohren und nicht einen Tropfen danebengehen zu lassen, während ich zusammen mit dem Blut den Tod in mich hineintrank.
In jenen Zeiten war es in einer Stadt wie Rom nicht notwendig, die Leichen aus Furcht vor Entdeckung zu verbergen. Manchmal warf ich sie in den Tiber. Manchmal ließ ich sie einfach auf der Straße liegen. Ganz besonders gern suchte ich zum Töten die Schenken auf; wie du weißt, ist das auch heute noch so. Es geht doch nichts darüber, nach dem langen Weg durch die dunkle, klamme Nacht plötzlich durch die offene Tür einer Schenke zu treten, hinein in ein eigenes kleines Universum aus Licht und Wärme und Singen und Gelächter. Schenken fand ich wirklich sehr verlockend.
All dieses Rasen, dieses endlose Töten, natürlich wegen meines Kummers um Pandora und weil ich allein war. Wer hätte mir denn Zurückhaltung gebieten können? Wer mich besiegen? Niemand!
Und weißt du: Während der ersten paar Monate nach meiner Abreise hätte ich ihr schreiben können! Es bestand durchaus eine Chance, dass sie noch eine Zeit lang in Antiochia, in unserem Haus, geblieben war, in der Erwartung, dass ich wieder zu Verstand käme. Aber ich schrieb nicht.
Ein beißender Zorn, ebender Zorn, gegen den ich auch jetzt ankämpfe, brodelte in mir, und er machte mich schwach, wie ich dir ja schon erklärt habe. Ich brachte es nicht über mich, das einzig Richtige zu tun – sie wieder für mich zu gewinnen. Manchmal drängte mich die Einsamkeit, drei oder vier Opfer in einer Nacht zu reißen, bis ich das Blut, das ich nicht mehr herunterbringen konnte, am Boden vergoss.
Manchmal, in den frühen Morgenstunden, beruhigte sich meine Wut, und ich begab mich wieder an meine historischen Aufzeichnungen, eine Arbeit, die ich in Antiochia aufgenommen und nie einer lebenden Seele gezeigt hatte. Ich beschrieb, was ich in Rom an Fortschritt oder Versäumnissen sah. Ich beschrieb ausführlich die Bauwerke. Aber dann wieder kamen Nächte, in denen ich dachte, dass all mein Geschreibe ganz unnütz war. Welchen Zweck hatte es im Endeffekt? Ich konnte diese Beschreibungen, diese Beobachtungen, die Gedichte und Aufsätze nicht der Welt der Sterblichen übermitteln!
Sie waren verseucht – insofern, als sie von einem Bluttrinker kamen, einem Ungeheuer, das fürs eigene Überleben Menschen tötete. Es gab keinen Ort für eine Dichtung oder Geschichtsschreibung, die einem gierigen Geist, einem gierigen Herzen entsprungen waren.
Und so vernichtete ich nicht nur meine gerade erst entstandenen Schriften, sondern auch die alten Abhandlungen, die ich einst in Antiochia geschrieben hatte. Eine nach der anderen nahm ich die Schriftrollen aus den Truhen und verbrannte sie, wie ich meine Familienchroniken verbrannt hatte. Oder ich behielt sie unter festem Verschluss und meinen Augen entzogen, damit nichts von dem, was ich geschrieben hatte, einen frischen Funken in mir entfachen konnte. Ich befand mich in einer tiefen seelischen Krise. Doch da geschah das Unvorhergesehene.
Ich traf auf einen anderen Bluttrinker – genau genommen auf zwei –, die mir in tiefer Nacht in den dunklen Straßen der Stadt entgegenkamen, als ich einen Hügel hinabschritt. Der Mond hatte sich für einen Augenblick hinter den Wolken versteckt, aber natürlich konnte ich mit meinen übernatürlichen Augen trotzdem hervorragend sehen. Die beiden Wesen kamen schnell näher, ohne zu wissen, dass ich mich gegen die Mauer drückte, um ihnen nicht den Weg zu versperren.
Schließlich hob der eine der beiden den Kopf, und ich erkannte das Gesicht sofort. Ich erkannte die Adlernase und die tief liegenden Augen. Ich erkannte die hageren Wangen. Tatsächlich war mir alles an ihm bekannt, die abfallenden Schultern, das lange blonde Haar und selbst die Hand, mit der er den Umhang an seiner Kehle zusammenraffte.
Es war Mael, der Druidenpriester, der mich einstmals gefangen genommen und mich bei lebendigem Leibe dem versengten, sterbenden Gott des Haines zum Fraß vorgeworfen hatte. Es war Mael, der mich monatelang in Gefangenschaft gehalten hatte, während er mich für den Zauber der
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