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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Finsternis vorbereitete. Es war Mael, reinen Herzens und furchtlos, den ich mit der Zeit so gut kennen gelernt hatte.
    Wer hatte Mael zum Bluttrinker gemacht? In welchem Hain hatte er die Weihen seiner alten Religion empfangen? Warum hielt man ihn nicht in Gallien im Stamm einer uralten Eiche eingeschlossen, damit er den rituellen Festen seiner Druidenbrüder Vorsitzen konnte?
    Unsere Augen trafen sich, aber ich war nicht beunruhigt. In der Tat hatte ich ihn schon abschätzend gemustert und festgestellt, dass es ihm an Kraft mangelte. Er war so alt wie ich, ja, aber er hatte nicht wie ich von Akasha getrunken. Ich war um vieles stärker als er. Er konnte mir absolut nichts anhaben. Und so richtete ich meinen Blick erst einmal auf den anderen Bluttrinker, der um einiges größer und eindeutig stärker als Mael war; seine Haut war dunkelbraun, sicherlich weil er dem Schreckensfeuer zum Opfer gefallen war. Er hatte ein großflächiges Gesicht mit angenehmen, offenen Zügen, umrahmt von schwarzem, welligem Haar; die großen Augen blickten fragend, und der volle Mund war wohlgeformt. Ich lenkte den Blick wieder zu dem Blondschopf, der mir, von religiöser Inbrunst erfüllt, mein Leben als Sterblicher genommen hatte.
    Ich überlegte mir, dass ich ihn vernichten könnte, indem ich ihm den Kopf von den Schultern risse und in meinem Garten an eine Stelle setzte, wo er unwiederbringlich von der Sonne zu schwarzer Asche verbrannt würde. Ich überlegte, ob ich das wirklich tun sollte, da diese Kreatur es nicht besser verdient hatte. Und doch gingen mir auch andere Überlegungen durch den Kopf. Ich wollte mit ihm reden. Ich wollte ihn kennen lernen. Ich wollte den anderen, der bei ihm war, kennen lernen, diesen braunhäutigen Bluttrinker, der mich mit einer Mischung aus Unschuld und Herzlichkeit betrachtete. Dieser Bluttrinker war wesentlich älter. Er war völlig anders als alle, die mich früher in Antiochia heimgesucht und nach Dem Vater und Der Mutter verlangt hatten. In diesem Augenblick erkannte ich vielleicht zum ersten Mal, dass Zorn Schwäche ist. Zorn war es gewesen, der mir wegen eines Satzes von wenigen Worten Pandora geraubt hatte. Wenn ich Mael tötete, wäre es Zorn, der ihn mir nahm. Außerdem, dachte ich, kann ich den Mord aufschieben. Ich kann erst einmal mit Mael reden. Ich kann mir die Gesellschaft verschaffen, nach der mein Geist lechzt, und töten kann ich ihn später immer noch. Aber sicherlich weißt du, wie trügerisch solche Vernünfteleien sind, denn wenn man jemanden zu lieben lernt, wird man ihn sehr wahrscheinlich nicht mehr töten wollen. Während diese Gedanken noch in meinem Kopf wirbelten, strömten die Worte schon über meine Lippen.
    »Ich bin Marius, erinnerst du dich nicht an mich?«, sagte ich. »Du hast mich damals in den Hain des alten Gottes gebracht, du hast mich ihm ausgeliefert, und dann bin ich entkommen.« Ich war entsetzt darüber, wie feindselig meine Worte klangen. Er verbarg seine Gedanken völlig vor mir, und ich konnte nicht sagen, ob er mich erkannt hatte oder nicht. Er redete schnell in Latein auf mich ein.
    »Ja! Du hast den Hain im Stich gelassen. Du hast all deine Anbeter im Stich gelassen. Du nahmst die Macht, die dir geschenkt wurde, und was ließest du den Gläubigen des Haines? Was gabst du ihnen als Gegenleistung?«
    »Und du, mein teurer Druidenpriester«, erwiderte ich, »dienst du noch deinen alten Göttern? Hat dich das nach Rom geführt?« Meine Stimme bebte vor Zorn, und ich spürte die Ohnmacht, die er erzeugte. Ich kämpfte darum, Kraft und klares Denken wiederzuerlangen. »Als ich dich kennen lernte, warst du reinen Herzens. Selten habe ich jemanden gekannt, der sich derart der Selbsttäuschung hingab, der solchen Trost in den Vorspiegelungen der Religion fand wie du.« Ich hielt inne. Ich musste mich zügeln, und es gelang mir.
    »Die alte Religion gibt es nicht mehr«, sagte er wütend. »Die Römer haben selbst unsere verborgensten Stätten eingenommen. Ihre Siedlungen sind überall. Von jenseits der Donau fallen diebische Barbaren ein. Und dann die Christen – wo die Römer noch nicht sind, kommen die Christen! Die Christen kann man überhaupt nicht aufhalten.«
    Seine Stimme wurde lauter, obwohl er nur im Flüsterton sprach. »Aber du, Marius«, fuhr er fort, »du warst derjenige, der mich korrumpiert hat. Du, Marius, hast meine Gedanken vergiftet, du hast mich von den Gläubigen des Haines geschieden, du hast mir Träume von Höherem eingegeben.«
    Er

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