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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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zerbrach. Wir hatten so gut wie jede unserer gemeinsamen Nächte gestritten, und ich brachte es einfach nicht über mich, mir ihre Überlegenheit und ihre Siege einzugestehen, und es geschah allein aus meiner Schwäche heraus, dass ich sie in meiner Dummheit überstürzt verließ. Das war der schlimmste Fehler meines langen Lebens. Aber lass mich dir kurz erzählen, wie es dazu kam, dass meine Bitternis und mein Stolz zu unserer Trennung führten. Während wir also Die Mutter und Den Vater hüteten, starben die Götter der nordischen Haine nach und nach. Der eine oder andere Bluttrinker entdeckte uns dennoch und wollte seinen Anspruch auf das Blut Jener, die bewahrt werden müssen zwangsweise durchsetzen.
    In den meisten Fällen gingen diese Ungeheuer mit Gewalt vor, und in der Hitze des Zorns konnten wir sie leicht besiegen und nahmen anschließend wieder unseren zivilisierten Lebensstil auf. Eines Abends jedoch tauchte in unserem Landhaus draußen vor den Toren Antiochias eine Gruppe noch junger Bluttrinker auf, fünf an der Zahl, in schlichte Gewänder gekleidet. Bald merkte ich zu meinem Erstaunen, dass sie Teil des göttlichen Konzeptes seien und sich für Diener Satans hielten, sie glaubten, dass der Teufel die gleiche Macht besäße wie der christliche Gott. Sie wussten nichts von Der Mutter und Dem Vater, und deren Schrein, musst du wissen, befand sich in ebenjenem Haus, tief unter der Erde. Dennoch fingen sie keinen Laut von dem göttlichen Paar auf. Sie waren zu jung und zu naiv. Und wirklich, allein ihr Eifer und ihre Wahrhaftigkeit konnten einem schon das Herz brechen.
    Aber wenn ich auch sehr berührt war von dieser Mixtur aus christlichen und persischen Mythen, von ihren Phantastereien und ihrem merkwürdig unschuldigen Gebaren, so war ich doch gleichermaßen entsetzt, dass hier eine neue Religion unter den Bluttrinkern entstanden war und sie von weiteren Anhängern sprachen. Es handelte sich also um einen Kult. Als Mensch fühlte ich mich abgestoßen, und als rational denkender Römer war ich so verwirrt und aufgeschreckt, wie ich es kaum ausdrücken kann.
    Pandora brachte mich schnell wieder zu Verstand und machte mir klar, dass wir die ganze Gruppe töten mussten. Ließen wir sie gehen, würden andere kommen, und Die Mutter und Der Vater könnten nur zu bald in deren Hände fallen. Ich, der ich alte heidnische Bluttrinker leichten Herzens getötet hatte, schien nicht dazu fähig, Pandora zu folgen, vielleicht, weil mir zum ersten Mal etwas bewusst wurde: Blieben wir in Antiochia, hielten an unserem Haushalt, unserer Lebensführung fest, dann würden immer mehr Bluttrinker kommen, und das Töten würde kein Ende nehmen, weil wir ja unser Geheimnis wahren mussten. Und diese Möglichkeit konnte meine Seele nicht ertragen. Ich dachte über Selbsttötung nach und sogar an den Tod für Jene, die bewahrt werden müssen.
    Wir erschlugen die Eiferer. Mit Hilfe von Fackeln und Schwertern ging es ganz schnell. Dann verbrannten wir sie und verstreuten ihre Asche.
    Aber nachdem es vorbei war, sank ich in ein langes Schweigen und kam monatelang nicht aus dem Schrein. Ich ließ Pandora wegen meiner eigenen Leiden im Stich. Ich konnte ihr einfach nicht erklären, dass ich eine düstere Zukunft vorausgesehen hatte, und wenn sie ausgegangen war, um zu jagen oder sich anderweitig in der Stadt zu vergnügen, ging ich zu Akasha, meiner Königin. Ich kniete vor ihr nieder und fragte sie, was ich ihrer Ansicht nach tun sollte.
    »Immerhin«, sagte ich, »sind dies deine Kinder, nicht wahr? Sie kommen in Scharen, und sie kennen deinen Namen nicht. Sie vergleichen ihre Fangzähne mit denen der Schlange. Sie sprechen von dem hebräischen Propheten Moses, der in der Wüste seinen Stab erhob. Sie sprechen davon, dass vielleicht noch Weitere kämen.«
    Von Akasha kam keine Antwort. Genau genommen antwortete Akasha zweitausend Jahre lang nicht.
    Aber damals war ich erst am Anfang meiner schlimmen Reise. Und in jenen bangen Augenblicken wusste ich nur eines: Ich musste meine Gebete vor Pandora verbergen, ich konnte nicht zulassen, dass sie mich – Marius, den Philosophen – auf Knien liegen sah. Ich fuhr fort mit meinen Gebeten, mit meiner fieberhaften Anbetung. Und wie es immer geschieht, wenn man zu einem reglosen Ding betet, so spielte auch auf Akashas Gesicht das Licht und hauchte ihr einen Anschein von Leben ein. Derweilen geriet Pandora, durch mein Schweigen ebenso verbittert, wie ich durch Akashas Schweigen verbittert

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