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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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in meiner Villa niederließ, spielte ich für meine Nachbarn den römischen Edelmann und den gutherzigen Herrn über diverse willige Sklaven von schlichtem Gemüt. Nun halt dir vor Augen, dass ich Rom mehr als zwei Jahrhunderte ferngeblieben war. Ich hatte ausgiebig die kulturellen Reichtümer Antiochias genossen, das zwar römisch geprägt, aber letztlich eine Stadt des Orients war, hatte den Dichtern und Gelehrten auf dem Forum gelauscht und beim nächtlichen Fackelschein ihre Bibliotheken durchstreift. Entsetzt hatte ich Berichte über die letzten römischen Kaiser vernommen, die diesem Titel nichts als Schande bereitet hatten und ausnahmslos von ihrer Leibgarde oder ihren Truppen ermordet worden waren. Aber meine Annahme, dass die Ewige Stadt gänzlich heruntergekommen war, erwies sich als Irrtum. Es hatte in den letzten hundert Jahren große Kaiser gegeben, Hadrian und Marc Aurel und Septimus Severus, und eine ganze Zahl neuer Gedenkstätten war in der Hauptstadt entstanden, wie auch die Bevölkerung enorm angewachsen war. Nicht einmal ein Bluttrinker wie ich hätte sämtliche römischen Tempel und Amphitheater und Bäder in Augenschein nehmen können.
    In der Tat war Rom sehr wahrscheinlich die größte und beeindruckendste Stadt der Welt. Die Bevölkerung belief sich auf mehr als zwei Millionen Menschen, und vielen Plebejern, wie die Armen genannt wurden, wurde eine tägliche Ration an Getreide und Wein zugeteilt. Sofort ergab ich mich dem Zauber der Stadt. Und ich verschloss meinen Blick vor den kaiserlichen Streitereien und den permanent an den Grenzen geführten Kriegen und lenkte mich ab, indem ich mich in die intellektuellen und ästhetischen Werke der Menschen vertiefte, wie ich es immer schon getan hatte. Natürlich begab ich mich unverzüglich zum Stadthaus der Nachkommen meiner sterblichen Familie, wo ich mich einem Geist gleich herumtrieb; denn ich hatte sie immer im Auge behalten, wenn ich das auch Pandora gegenüber nie zugegeben hatte, und ich stellte fest, dass sie brave Mitglieder der Senatorenklasse waren, die sich krampfhaft mühten, in der Staatsführung etwas Ordnung aufrechtzuerhalten, während die Armee einen Kaiser nach dem anderen ernannte, in dem verzweifelten Versuch, der einen oder anderen Fraktion in dieser oder jener fernen Region die Macht zu sichern.
    Der Anblick dieser jungen Männer und Frauen, Abkömmlinge meiner Onkel und Tanten, Neffen und Nichten, wie ich wusste, brach mir wirklich das Herz, und in jener Zeit entschloss ich mich, meine Aufzeichnungen über sie für immer zu vernichten, obwohl ich mir über die Gründe nicht im Klaren bin. In dieser Zeit löste ich alle Bindungen. Ich hatte Pandora verlassen. Ich hatte Jene, die bewahrt werden müssen aus meiner Nähe entfernt, und nun kam ich eines Nachts heim, nachdem ich ein abendliches Gastmahl im Hause eines meiner vielen Nachkommen belauscht hatte, und ich nahm aus einer hölzernen Schatulle die Schriftrollen, auf denen ich die Namen dieser jungen Leute vermerkt hatte, und verbrannte sie, verbrannte alles, was ich aus den Briefen diverser Agenten zusammengetragen hatte, und kam mir dabei in meiner Monstrosität sehr weise vor, als ob mich diese Tat von zukünftigen Eitelkeiten und Schmerzen abhalten würde. In der Folge geisterte ich über den Besitz fremder Familien, um mehr zu erfahren. Mit vampirischem Geschick schlüpfte ich in dunkle Gärten und horchte an den offenen Türen spärlich beleuchteter Villen, während die Menschen drinnen sich gedämpft über ihrem Mahl unterhielten oder der zarten Stimme eines Knaben lauschten, der zu den Klängen seiner Lyra sang. Ich fand die alten, konservativen Römer sehr anrührend, und wenn auch die Bibliotheken in Antiochia mittlerweile besser waren als die in Rom, so entdeckte ich doch eine Menge Lesenswertes. Natürlich gab es auch hier Philosophenschulen, und obwohl sie nicht so beeindruckend waren wie in Antiochia, war ich daran interessiert, so viel wie möglich aufzufangen. Aber du musst verstehen, ich begab mich nicht wirklich in die Welt der Sterblichen. Ich schloss keine Freundschaften mit ihnen. Ich verkehrte nicht mit ihnen. Ich beobachtete sie nur, wie schon früher in Antiochia. Ich glaubte damals nicht, dass ich folgenlos an ihrem normalen Leben teilhaben könnte. Und was nun meinen Blutdurst anging – ich jagte in Rom mit übertriebenem Eifer. Stets hielt ich mich an die Übeltäter, was, wie ich dir versichern kann, ganz einfach war, aber ich gab meinem Hunger

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