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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Orients, und wollte auch nicht an der wichtigen Prozession zum Jupitertempel teilnehmen, wie es das Volk eigentlich von ihm erwartet hatte.
    Die Christen verehrten ihn selbstverständlich. Reich und Arm scharten sich zusammen, um ihn in seinem kostbaren, juwelengeschmückten orientalischen Aufputz zu sehen. Und als er den Grundstein für weitere Kirchen legte, waren alle überwältigt von seiner Freigebigkeit.
    Obwohl er kaum je in Rom weilte, so hatte er doch dafür gesorgt, dass auch weltliche Bauten vollendet wurden, die schon unter Maxentius begonnen worden waren, und er ließ ein großes öffentliches Bad, das nach ihm benannt wurde, errichten. Dann tauchten erschreckende Gerüchte auf. Konstantin hegte Pläne für eine ganz neue Stadt. Konstantin fand, dass Rom alt und heruntergekommen war und sich nicht mehr als Hauptstadt eignete. Konstantin wollte eine neue Hauptstadt für das Reich bauen; sie sollte im Osten des Reiches liegen und nach ihm benannt werden!
    Alle Kaiser hatten natürlich während des vergangenen Jahrhunderts die römischen Provinzen bereist. Sie hatten einander bekämpft, hatten sich zu zweit oder viert zu Regierungsbündnissen zusammengeschlossen, hatten hier Treffen abgehalten und sich dort gegenseitig umgebracht.
    Aber Rom als Hauptstadt aufgeben? Eine neue, große Stadt schaffen, die der Mittelpunkt des Reiches sein sollte? Ich fand es undenkbar.
    Ich brütete darüber. Es brachte mich zur Verzweiflung. Und meine nächtlichen Gäste teilten mein Elend. Den alten Soldaten brach das Herz bei dieser Neuigkeit, und einer der Philosophen brach in Tränen aus. Eine andere Stadt als Hauptstadt des Römischen Reiches? Die jüngeren Männer waren wütend, aber sie konnten trotz aller Bitterkeit nicht ihre Neugier verbergen, wo diese neue Stadt wohl liegen sollte.
    Ich selbst wagte nicht zu weinen, sosehr es mich auch drängte, da meine Tränen mit Blut vermengt gewesen wären. Ich bat die Musikanten, Lieder aus früheren Zeiten zu spielen, die ihnen jedoch unbekannt waren, sodass ich sie sie erst lehren musste. Aber dann sangen wir – meine sterblichen Gäste und ich – gemeinsam ein getragenes, trauervolles Lied über Roms verblassten Glanz, der dennoch unvergessen bleiben würde. Die Luft war kühl an jenem Abend. Ich ging hinaus in den Garten und blickte den Hügel hinab. Ich konnte in der Dunkelheit da und dort Lichter sehen. Ich hörte Gelächter, und Gespräche aus anderen Häusern drangen an mein Ohr.
    »Dies ist Rom!«, flüsterte ich.
    Wie konnte Konstantin diese Stadt fallen lassen, die tausend lange Jahre in Kampf, Triumph, Niederlage und Herrlichkeit die Hauptstadt des Reiches gewesen war? Konnte ihm denn niemand Vernunft beibringen? Das durfte einfach nicht geschehen. Aber je häufiger ich durch die Stadt streifte, je häufiger ich dem Klatsch überall lauschte, je häufiger ich innerhalb und außerhalb der Stadtmauern umherstreifte, desto klarer wurde mir, was den Kaiser dazu gebracht hatte.
    Konstantin brauchte für das Wachstum seines christlichen Imperiums möglichst günstige Verhältnisse, außerdem konnte er sich nicht auf die Halbinsel Italien zurückziehen, wenn doch die Kultur vieler seiner Völker im Osten begründet war und er die östlichen Grenzen verteidigen musste, da das Persische Reich eine ständige Bedrohung darstellte. Und Rom war nicht der passende Regierungssitz für einen Mann in höchster Machtstellung. Deswegen hatte Konstantin die ferne griechische Stadt Byzanz gewählt; dort sollte Konstantinopel, seine neue Residenz, liegen. Und ich sollte zusehen, wie ein Mann, den ich als Römer nicht akzeptieren konnte, meine Heimatstadt, meine mir heilige Stadt, zur Seite legte wie ein abgetragenes Kleidungsstück. Gerüchte gingen um, mit welch unglaublicher, wenn nicht gar wundersamer Schnelligkeit die Pläne für Konstantinopel entworfen worden waren und die Bauten nun voranschritten. Viele Römer folgten Konstantin in die sich schnell entwickelnde neue Stadt. Möglicherweise auf seine Einladung hin oder auch aus eigenem Antrieb siedelten Senatoren mit ihrem Haushalt und Besitz an diesen neuen glanzvollen Ort über, der in aller Munde war. Bald schon hörte ich, dass sich Senatoren aus sämtlichen Städten des Reiches nach Konstantinopel gezogen fühlten, und als nach und nach Bäder und Bürgerhallen und Kampfarenen emporwuchsen, wurden doch tatsächlich orientalische und griechische Städte ihrer schönsten Statuen beraubt, um damit die neuen Prachtbauten zu

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