Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold
wir nicht miteinander sprachen, uns nicht einmal draußen auf der Straße ansahen, Avicus und Mael mir durch ihre bloße Anwesenheit zu Gefährten geworden waren. Und da sie Rom frei von anderen Bluttrinkern hielten, stand ich in ihrer Schuld.
Nun achtete ich nicht sehr darauf, wie es um die Regierung des Reiches stand, aber um das Schicksal des Imperiums sorgte ich mich wahrhaft leidenschaftlich. Denn für mich bedeutete das Imperium die zivilisierte Welt. Und war ich auch ein Jäger im verstohlenen nächtlichen Dunkel, ein Bluttrinker, so war ich doch ein Römer und führte in jeder anderen Hinsicht ein zivilisiertes Leben.
Ich vermute, dass ich wie manch alter Senator jener Epoche einfach voraussetzte, dass früher oder später die unaufhörlichen Kämpfe der jeweiligen Kaiser sich irgendwie von allein erledigen würden. Ein großer Mann von der Festigkeit und Stärke eines Oktavian würde kommen und die römische Welt wieder vereinen.
Bis dahin patrouillierten die Heere an den Grenzen und drängten unermüdlich die barbarische Bedrohung zurück; und wenn auch immer wieder der Armee die Verantwortung dafür überlassen wurde, einen Kaiser zu wählen, mochte es so bleiben, solange nur das Reich erhalten blieb.
Was die Christen anging, die es nun überall gab, wusste ich nicht so recht, was ich von ihnen halten sollte. Es war mir ein großes Rätsel, dass dieser unbedeutende Kult, der ausgerechnet in Jerusalem seinen Ursprung genommen hatte, zu solch enormer Größe anwachsen konnte.
Ehe ich aus Antiochia fortging, hatte ich mich schon über den Erfolg des Christenglaubens gewundert, darüber, wie sie langsam eine Organisation aufbauten und anscheinend durch Unstimmigkeiten und Spaltung gediehen.
Aber Antiochia war der Orient, wie ich schon bemerkte. Dass Rom vor den Christen kapitulierte, ahnte ich in meinen wildesten Träumen nicht. Überall hatten sich die Sklaven der neuen Religion angeschlossen, aber Männer und Frauen in hohen Positionen nicht minder. Und Verfolgungen bewirkten überhaupt nichts. Ehe ich fortfahre, lass mich jedoch auf das hinweisen, was andere Historiker auch schon angesprochen haben, dass nämlich, bevor die Christen auf der Bildfläche erschienen, die antike Welt in einer Art religiöser Eintracht lebte. Niemand wurde wegen seiner Religion von Andersgläubigen verfolgt. Selbst die Juden, die sich stark absonderten, wurden problemlos von Griechen und Römern aufgenommen und durften ihren außergewöhnlich gesellschaftsfeindlichen Glauben ausüben. Denn nicht Rom suchte sie zu unterwerfen, sondern sie waren es, die sich gegen Rom auflehnten.
Als ich dann die ersten Christen predigen hörte, kam ich zu der Überzeugung, dass diese Religion keine Chance hatte, sich auszubreiten. Sie verpflichtete ihre neuen Mitglieder nämlich, den Umgang mit den ehrwürdigen Göttern der Griechen und Römer zu meiden, deshalb dachte ich, diese Sekte würde bald dahinsiechen. Dann war da unter den Christen noch der permanente Hader über Glaubensfragen. Bestimmt würden sie sich gegenseitig vernichten, dachte ich, und dieser Wust von Ideen, oder wie man das nennen sollte, würde sich in Wohlgefallen auflösen. Aber nichts dergleichen geschah, und das Rom des vierten Jahrhunderts, in dem ich lebte, quoll, wie schon gesagt, von Christen über. Für ihre anscheinend magischen Zeremonien versammelten sie sich in den Katakomben und auch in Privathäusern. Während ich nun als Beobachter all dieser Dinge vor mich hin lebte und sie einfach ignorierte, traten ein paar Ereignisse ein, die mich unsanft aus meinen Träumen rissen. Ich will es erklären.
Wie gesagt befanden sich die römischen Kaiser in permanentem Kriegszustand. Kaum hatte der Senat die Ernennung des einen ratifiziert, wurde der von einem anderen ermordet. Und unaufhörlich marschierten Truppen quer durch entlegene Provinzen des Reiches, um einen neuen Kaiser zu ernennen, weil ein anderer gerade vertrieben worden war.
Im Jahre 305 gab es gleich zwei Herrscher, die sich den Titel Augustus, und zwei, die sich den Titel Cäsar zugelegt hatten. Ich wusste nicht ganz genau, was diese Titel bedeuteten. Oder sollte ich sagen, ich verachtete alles, was damit zusammenhing, derart, dass ich nicht wissen wollte, was sie bedeuteten? Tatsächlich war es so, dass diese so genannten Imperatoren öfter, als mir lieb war, in Italien einfielen; und einer namens Severus war im Jahre 307 sogar bis vor die Tore Roms gekommen. Ich nun, der sich an wenig anderem als an
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