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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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schmücken.
    Rom, mein Rom, was wird aus dir werden?, dachte ich. Meine abendlichen Gastmähler berührte das natürlich nicht sonderlich. Die, die bei Marius speisten, waren arme Lehrer und Historiker, denen die Mittel zum Umzug nach Konstantinopel fehlten, oder neugierige, unbekümmerte junge Männer, die noch nicht den klügeren Weg gewählt hatten.
    Wie je hatte ich reichlich menschliche Gesellschaft, und ich hatte sogar noch eine paar griechische Philosophen mit hellem Köpfchen geerbt. Die Familien, bei denen sie gelehrt hatten, waren ohne sie nach Konstantinopel gezogen und wollten dort zweifellos brillantere Lehrer für ihre Söhne finden. Aber das – die Gäste, die mir in meinem Haus Gesellschaft leisteten – war eher nebensächlich.
    Die Wahrheit war, dass mein Herz im Laufe der Jahre brach. Und grausamer denn je traf es mich, dass ich keinen unsterblichen Gefährten hatte, der meine Gefühle verstand. Ich fragte mich, ob Mael oder Avicus überhaupt in der Lage waren zu verstehen, was hier vor sich ging. Ich wusste, sie durchstreiften die gleichen Straßen wie ich. Ich konnte sie hören.
    Und immer schrecklicher empfand ich das Bedürfnis nach Pandoras Nähe, so sehr, dass ich mir verwehrte, sie mir vorzustellen oder an sie zu denken.
    Aber immer noch war ich voller Verzweiflung: Wenn dieser Mann Konstantin das Reich schützen kann, wenn das Christentum es zusammenhalten, es vor dem Auseinanderbrechen bewahren kann, wenn diese so grundverschiedenen Provinzen vereint werden können, wenn Konstantin die Barbaren abwehren kann, die ohne Unterlass plündern und rauben, ohne je etwas aufzubauen oder zu erhalten, wer bin dann ich, darüber zu urteilen, ich, der ich außerhalb von allem Lebenden stehe? Wenn mein Geist in fiebriger Erregung war, widmete ich mich meinem nächtlichen Gekritzel. Und in den Nächten, in denen ich sicher wusste, dass Mael und Avicus nicht in meiner Nähe waren, verließ ich die Stadt und besuchte den Schrein. Die Arbeit an den Wänden der Kapelle hörte nie auf. Sobald ich die Kapelle ringsum mit Bildern versehen hatte, übermalte ich eine Wand und begann von vorn. Nie entsprachen meine Nymphen und Göttinnen meinen eigenen Anforderungen. Ihre Gestalten waren mir nicht schlank genug, die Arme gerieten mir nicht grazil, und nie fiel das Haar richtig. Und die Gärten nun, die ich malte – es gab einfach nicht genug Blumensorten für mich. Und immer hatte ich dieses Gefühl, dass mir das alles bekannt vorkam – dass ich diesen Garten schon einmal gesehen hatte, dass ich ihn schon kannte, ehe Akasha mir erlaubt hatte, von ihrem Blut zu trinken. Diese steinernen Bänke, die Brunnen, ich hatte sie schon einmal gesehen. Während ich daran malte, konnte ich die Empfindung nicht abschütteln, mich mitten darin zu befinden. Ich bin mir nicht sicher, ob mir das bei meiner Arbeit half. Vielleicht verursachte es mir nur Schmerz. Aber je mehr Geschick ich als Maler erwarb, desto mehr Aspekte gab es, die mich irritierten.
    Ich war überzeugt, dass etwas Unnatürliches daran war, dass es gespenstisch war, wie perfekt ich den menschlichen Körper gestaltete, dass es unnatürlich war, wie mir die Farben außergewöhnlich leuchtend gelangen und ich so viele lebhafte winzige Details hinzufügte. Besonders mein ausufernder Hang zu schmückenden Details stieß mich ab.
    Sosehr ich mich zu dieser Arbeit getrieben fühlte, so sehr hasste ich sie doch auch. Ich schuf ganze Gartenanlagen mit entzückenden mythischen Geschöpfen, nur um sie wieder zu übertünchen. Manchmal malte ich mit solcher Geschwindigkeit, dass ich völlig verausgabt auf den Boden des Schreins niederfiel und dort den ganzen Tag in meinem lähmungsgleichen Schlaf lag, anstatt mich zu meinem geheimen Schlafplatz – meinem Sarg – zu begeben, der nicht weit entfernt von der Villa verborgen war. Wir sind Monster – das dachte ich immer, wenn ich malte oder meine Malereien betrachtete. Und das denke ich noch heute. Dass ich meine Existenz nicht aufgeben möchte, hat nichts zu besagen. Wir sind unnatürlich. Wir sind Zuschauer mit zu viel und zu wenig Gefühl. Und während ich all dies dachte, hatte ich sie vor Augen, die gefühllosen Zuschauer, Akasha und Enkil. Was bedeutete ihnen denn das, was ich tat? Etwa zweimal im Jahr wechselte ich ihre kostbaren Gewänder, ordnete Akashas Kleid mit heikler Sorgfalt. Ich brachte ihr neue Armreife mit und schob sie ihr, damit sie sich nicht beleidigt fühlte, mit zarten, gemessenen Bewegungen über

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