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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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tummelten. Ob er dennoch eintreten dürfe?
    Ich antwortete ihm stumm: Ja.
    Ich hatte ihn seit Jahren kaum gesehen, außer hier und da mal in einer düsteren Gasse, und ich war nun nicht so sehr überrascht, ihn als römischen Soldaten gekleidet zu sehen, mit Dolch und Schwert an der Seite. Er blickte gereizt zur Tür des Speisesaals, aber ich bedeutete ihm, dass er sich nicht um meine Gäste scheren sollte.
    Sein volles dunkles Lockenhaar war gepflegt und sauber, und er wirkte wohlhabend und gesund, nur waren seine Kleider von Blut durchtränkt. Es war kein menschliches Blut. Das hätte ich gerochen. Sein Gesichtsausdruck zeigte mir nur zu bald, dass er ernstlich bedrückt war.
    »Was ist los? Kann ich etwas für dich tun?«, fragte ich. Ich gab mir Mühe, meine offensichtliche Einsamkeit zu verbergen, mein dringendes Bedürfnis, ihn, seine Hand, zu berühren.
    Du bist wie ich, wollte ich sagen. Wir sind beide Bluttrinker, und wir können einander in die Arme schließen. Was sind meine Gäste schon? Nichts als zerbrechliche Wesen! Aber ich sagte nichts.
    Avicus sprach stattdessen.
    »Es ist etwas Entsetzliches geschehen. Ich weiß nicht, wie ich das wieder richten soll und ob es überhaupt geht. Ich bitte dich, komm mit.«
    »Wohin denn?«, fragte ich mitfühlend.
    »Es geht um Mael. Er ist schwer verletzt, und ich weiß nicht, ob die Verletzung geheilt werden kann.« Wir machten uns sofort auf den Weg.
    Ich folgte ihm in ein dicht bebautes Viertel Roms, in dem die neueren Gebäude sich manchmal mit nicht mehr als zwei Fuß Abstand gegenüberstanden. In den Außenbezirken kamen wir schließlich zu einem stattlichen neuen Haus mit einem schweren Tor, dem man den Reichtum ansah, und Avicus führte mich hinein, einen Korridor entlang in ein weites, schönes Atrium. Lass mich kurz anmerken, dass er während des ganzen Weges seine Kräfte nicht voll eingesetzt hatte, aber ich mochte ihn nicht darauf hinweisen, also war ich ihm in dem gleichen langsamen Tempo gefolgt.
    Wir durchquerten das Atrium und betraten den Hauptraum des Hauses, den Sterbliche als Speisezimmer benutzen würden, und dort sah ich im Licht einer einzelnen Lampe Mael hilflos am Boden liegen. Das Licht glitzerte in seinen Augen. Ich kniete mich neben ihn.
    Sein Kopf war seltsam seitlich verdreht, und ein Arm war verrenkt, als ob die Schulter ausgekugelt wäre. Sein gesamter Körper war entsetzlich ausgezehrt, und seine Haut hatte eine grauenvolle Farbe. Doch seine Augen hafteten auf mir, aber weder drohend noch unterwürfig.
    Er trug ähnliche Kleider wie Avicus, doch sie hingen lose an seinem hageren Knochengestell und waren mit Blut voll gesogen. Sein langes, blondes Haar war ebenfalls blutverklebt, und seine Lippen bebten, als wolle er sprechen und könne nicht.
    Avicus hob in einer hilflose Geste die Hände. Ich neigte mich tiefer, um Mael besser betrachten zu können, während Avicus die Öllampe näher heranholte und sie so hielt, dass sie ein warmes, helles Licht warf.
    Mael machte ein leises heiseres Geräusch, und da sah ich, dass hässliche rote Wunden an seiner Kehle prangten und ebenso auf der nackten, von der Kleidung befreiten Schulter. Der Arm lag im falschen Winkel zu seinem Körper, und sein Hals war scheußlich verdreht, sodass auch der Kopf nicht richtig darauf saß. Eine Sekunde erfasste mich tiefes Grausen, als mir bewusst wurde, dass diese Körperteile – Kopf und Arm – nicht an ihrem natürlichen Platz saßen.
    »Wie ist das passiert?« Ich schaute fragend zu Avicus auf. »Weißt du das?«
    »Sie haben ihm Kopf und Arm abgetrennt«, antwortete er. »Ein Trupp Soldaten; sie waren betrunken und suchten Streit. Wir wollten ihnen ausweichen, aber sie griffen uns an. Wir hätten uns über die Dächer davonmachen sollen. Wir waren unserer selbst einfach zu sicher. Wir hielten uns für so überlegen, für unbesiegbar stark.«
    »Ich verstehe.« Dabei umklammerte ich Maels Hand an dem unverletzten Arm. Sofort erwiderte er den Druck. Ehrlich gesagt war ich zutiefst erschüttert. Aber ich durfte das den beiden nicht zeigen, denn das hätte ihre Furcht noch verstärkt. Ich hatte mich oft schon gefragt, ob man uns töten könnte, indem man uns die Glieder abtrennte, und nun sah ich die schreckliche Wahrheit ganz deutlich vor mir. Das allein genügte nicht, um unsere Seele von dieser irdischen Welt zu lösen.
    »Sie hatten ihn eingekreist, ehe ich noch wusste, was tun«, sagte Avicus. »Meine Angreifer konnte ich abwehren, aber sieh dir an,

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