Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold
die kalten Arme. Ich flocht mit viel Aufwand goldenen Schmuck ins schwarze Haar der Eltern. Ich legte dem König breite Schmuckkragen um Hals und Schultern. Nie sprach ich unehrerbietig zu ihnen. Dazu waren sie zu erhaben. Nur in Form von Gebeten wandte ich mich an sie.
Auch wenn ich mit den Farbtöpfen und Pinseln im Schrein arbeitete, tat ich das schweigend. Und ich schwieg, wenn ich mit offenem Abscheu betrachtete, was ich gemalt hatte. Eines Nachts dann, nach vielen Jahren emsiger Betätigung in dem Schrein, trat ich ein paar Schritte zurück und versuchte, meine Arbeit von einem ganz anderen Blickpunkt aus zu betrachten. Mir schwindelte. Ich ging zum Eingang und stellte mich dort auf wie jemand, der noch nie zuvor hier gewesen war, ich ließ das Göttliche Paar ganz außer Acht und betrachtete nur die Wände. Und da wurde mir die Wahrheit schmerzhaft bewusst. Ich hatte Pandora gemalt. Überall, ringsum. Jede Nymphe, jede Göttin war Pandora. Wieso hatte ich das nie gemerkt? Ich war verwundert und geschlagen. Meine Augen spielen mir einen Streich, dachte ich. Ich rieb sie heftig und schaute abermals. Nein. Es war Pandora, wunderschön dargestellt, wohin ich auch schaute. Die Gewänder waren verschieden, und auch die Frisuren und sonstiger Schmuck, ja, aber alle diese Geschöpfe waren Pandora, und ich hatte es bis zu diesem Augenblick nie gesehen.
Natürlich wirkte dieser ewig gleiche Garten vertraut. Aber egal. Pandora hatte mit diesem Gefühl wenig oder gar nichts zu tun. Pandora konnte ich nicht entrinnen, sie erstand aus einer ganz anderen Gefühlsquelle. Pandora würde immer bei mir sein. Das war der Fluch.
Ich verstaute meine Farben und Pinsel, wie ich es stets getan hatte, hinter dem Göttlichen Paar – es wäre beleidigend für die beiden gewesen, sie vor ihren Augen stehen zu lassen – und begab mich zurück nach Rom.
Vor mir lagen noch mehrere Nachtstunden, in denen ich mich in mein Leiden vertiefte und intensiv wie nie zuvor an Pandora dachte.
Die trunkene Gesellschaft war schon etwas gedämpft, wie meistens in den frühen Morgenstunden, einige Gäste waren draußen auf dem Rasen eingeschlafen, einige sangen gemeinsam, und niemand nahm von mir Notiz, als ich in meine Bibliothek ging und mich an den Schreibtisch setzte.
Ich schaute durch die geöffneten Türen hinaus auf die dunklen Bäume und wünschte mir, mein Leben wäre zu Ende. Mir schien der Mut zu fehlen, diese Existenz, die ich für mich aufgebaut hatte, weiterzuführen, und dann wandte ich mich zurück ins Innere des Raumes und beschloss – aus purer Verzweiflung –, die Fresken an den Wänden zu betrachten. Natürlich hatte ich diese Gemälde gebilligt und ihre Restaurierung und danach auch öfter neue Darstellungen bezahlt.
Aber nun registrierte ich sie von einem ganz neuen Standpunkt aus, nicht mehr als Marius, der reiche Mann, der immer haben konnte, was er wollte, sondern als Marius, das malende Ungeheuer, das Pandora zwei Dutzend Mal auf die vier Wände von Akashas Schrein gebannt hatte.
Ich sah mit einem Mal, wie minderwertig diese Abbildungen waren, wie steif und farblos die Göttinnen und Nymphen, die die Wände meines Arbeitszimmers bevölkerten, und ich weckte rasch meine Sklaven und befahl ihnen, am nächsten Tag alles sauber zu übertünchen. Außerdem sollten sie einen Vorrat bester Farben besorgen. Sie sollten sich nicht darum kümmern, wie die Wände ausgeschmückt würden. Das sollten sie mir überlassen. Nur die vorhandenen Malereien sollten sie überdecken. Sie waren exzentrische Wünsche von mir gewohnt, und nachdem sie sich vergewissert hatten, mich richtig verstanden zu haben, legten sie sich wieder schlafen.
Ich wusste noch nicht, was ich vorhatte, außer, dass ich den Drang verspürte zu malen, und ich hatte das Gefühl, wenn ich mich nur daran hielt, wenn ich das zuwege brachte, dann konnte ich weiter existieren. Ich fühlte mich immer elender.
Ich holte Pergament hervor, um meinem vorherigen Tagebuch etwas hinzuzufügen, und begann, die Erfahrung zu beschreiben, wie ich meine Geliebte rings um mich entdeckt hatte, und dass diesen Abbildern eine Art von Hexerei innezuwohnen schien, als ich plötzlich ein unverkennbares Geräusch vernahm. Avicus stand an meiner Pforte. Genau genommen brandeten seine Gedanken in einem heftigen Schwall gegen mich an, mit der Frage, ob er die Mauer übersteigen und mich aufsuchen dürfe. Er hegte Misstrauen gegen die Sterblichen, die sich in meinem Speisesaal und im Garten
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